Der Schoepfer
schwerfällig auf das Ledersofa im Wohnzimmer und bekam einen Anflug von Klaustrophobie, als Kjartan mit zwei geöffneten Bierflaschen aus der Küche stürmte.
»Nein, ich … äh, hast du vielleicht einfach einen schwarzen Kaffee?«, fragte er und war froh, Kjartan wieder in der Küche verschwinden zu sehen.
Er kehrte schnell zurück, mit einem großen Becher Instantkaffee und zwei Zuckerwürfeln. »Hier, Schätzchen«, sagte er, »trink den, wenn er nicht zu stark für dich ist.«
Er setzte sich in den zum Sofa passenden Sessel und stürzte die Hälfte der Bierflasche in einem Zug hinunter, so als wolle er für sie beide trinken. Wahrscheinlich überspielte er damit nur seine Nervosität, wie bei allem, was er tat oder sagte.
Sveinn schämte sich wieder einmal für die scharfe Kritik an seinem einzigen Freund.
»Warst du bei deiner Mutter essen?«, fragte er.
»Ja, klar«, sagte Kjartan mit hörbarer Sanftheit und Wärme in der Stimme. »Was glaubst du, auf was für eine Idee das alte Mädchen gekommen ist? Sie hat gemeint, die Keule wäre gerade erst im Ofen, und mich gefragt, ob ich vor dem Essen einen Teller Cocoa Puffs haben will, um den schlimmsten Hunger zu stillen. Ich hab nur zu ihr gesagt: Mama, ich esse keine Steine, noch nicht mal den feinsten Bimsstein.«
»Steine?«
Kjartan setzte ein feierliches Gesicht auf, richtete sich im Sessel auf, machte eine Kunstpause, so als wolle er gar nicht darauf eingehen, und sagte dann: »Es gibt nur zwei Sorten von Männern auf der Welt. Diejenigen, die sich nach dem Pinkeln
die Hände waschen, und diejenigen, die sich vor dem Pinkeln die Hände waschen.«
»Wovon sprichst du?« Sveinn spürte, wie sich das klaustrophobische Gefühl in seine Lunge vorkämpfte.
»Selbstachtung, Mann«, sagte Kjartan. »Man fasst sich nicht mit schmutzigen Pfoten an, und man frisst kein amerikanisches Mäusefutter aus der Packung.«
Sveinn wusste, dass er schon längst hätte lachen, sich auf die Schenkel klopfen, etwas Blödsinniges entgegnen und auf die Art die Nähe, die ihm offeriert wurde, annehmen sollen – wir beide, wir wissen, worum es im Leben geht, wir haben unsere Prinzipien und so weiter –, aber er konnte es nicht, er konnte es einfach nicht.
»Wie wär’s, wenn du mal für sie kochen würdest?«, sagte er unnötig barsch, wohl wissend, dass Kjartan seine Mutter vergötterte und alles für sie tun würde, sogar mit einem feuchten Lappen die Gartenzwerge abwischen, wenn das Wetter ihnen einen Stempel aus Erde und Salz aufgedrückt hatte.
Heiterkeit und Freundlichkeit wichen aus Kjartans Gesicht. Er stellte die Flasche ab, um seinen Worten mit beiden Händen Nachdruck zu verleihen. »Was meinst du, wie oft ich sie schon eingeladen hab? Sie ist so uralt, dass sie kaum mehr den Deckel vom Topf heben kann.« Er kratzte sich an der Seite und schaute Sveinn flehend an. Demütige mich nicht , sagten seine Augen. Ich bin kein schlechter Mensch.
Bei diesem Blick entspannte sich Sveinn. Er war immer so merkwürdig gerührt, wenn Kjartan unterwürfig wurde. Dann empfand er schmerzhaftes, triumphierendes Mitleid.
Er tunkte den Zuckerwürfel in den Kaffee und schob ihn in den Mund, bevor er die Karte mit der Todesanzeige herausholte und Kjartan hinhielt. »Ist er das?«
»Ja, das ist er«, antwortete Kjartan. »Hans Sigurjónsson aus Hlíd. Der arme Kerl. Was wohl in ihn gefahren ist?«
»Dreh mal um«, sagte Sveinn.
Kjartan musterte schweigend die Ankündigung von Sveinns bevorstehendem Tod, stieß dann einen Lacher aus, massierte seine Stirn und schaute Sveinn aus dem Augenwinkel an, als sei er sich nicht sicher, ob er auf den Arm genommen würde.
»Die habe ich mit der Post bekommen«, sagte Sveinn. »Von einer Frau.«
»Ach, stand der Absender drauf?«
»Nein, ich habe es an der Handschrift erkannt. Eindeutig. Da bin ich mir ganz sicher.«
Kjartan schüttelte den Kopf, umklammerte die Karte und wandte den Blick nicht von ihr ab. »Du gehst natürlich damit zur Polizei. Das ist eindeutig eine Drohung.«
»Man sollte das vielleicht nicht so ernst nehmen«, entgegnete Sveinn.
»Weil sie von einem Weibsstück kommt, meinst du?« Kjartan lachte wieder auf. »Unterschätze nie deinen Feind. Frauen können auch töten. Männer schießen, Frauen vergiften. Traditionsgemäß. Wobei es natürlich auch andersrum sein kann. Du solltest zumindest die Augen offen halten und ihr nie den Rücken zudrehen.«
Sveinn winkte ab, obwohl sein Magen rotierte und sich seine
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