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Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Ellory
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bringen.
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    Im ersten Moment fühlte sich Parrish desorientiert. Er konnte nicht zuordnen, woher das Geräusch kam und was es zu bedeuten hatte.
    Er fischte sein Handy vom Rand der Rückbank. Der Wecker. Er stellte ihn ab, brauchte aber gute fünfzehn bis zwanzig Sekunden, um sich zu erinnern, wo er war und was er hier tat. Dann richtete er sich mit einem Ruck auf. Direkt links vor ihm lag McKees Haus. Inzwischen war das Tageslicht so hell, dass sich nicht mehr erkennen ließ, ob im Haus Lichter brannten. Die oberen Vorhänge jedenfalls waren noch zugezogen. Das Haus kam ihm ruhig, verschlafen und unverändert vor.
    Parrish atmete mehrmals tief durch. Ihm war schwindlig und übel. Am liebsten hätte er etwas getrunken, obwohl er wusste, dass das die schlechteste Idee überhaupt gewesen wäre. Zwangsläufig begnügte er sich mit dem Bodensatz seines Kaffees. Hunger verspürte er auch, doch von seinem Essen war nichts mehr übrig.
    Am Rand seines Gesichtsfelds rührte sich etwas.
    Die linke Seite des Vorhangs hatte sich bewegt – ein paar Zentimeter nur, doch sie hatte sich bewegt. McKee befand sich nach wie vor im Haus, und inzwischen war er aufgewacht. Mit einem Mal fühlte Parrish seine Entschlossenheit wieder aufleben. Er schaute zur Uhr. Sechs Minuten nach sieben. Würde McKee aufbrechen, um Sarah und Alex abzuholen … wie hießen die Kinder eigentlich mit Nachnamen? Sarah und Alex McKee oder Paretski? Hatte Carole Paretski zur konsequenten Demütigung und Erniedrigung ihres Exehemanns auch den Namen der Kinder ändern lassen? Falls McKee sie also heute abholte, wann würde er wohl aufbrechen? Parrish konnte nur warten. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig.
    Eine Stunde verging. Er pinkelte in die Plastikflasche, wobei er es schaffte, seine Hände und die Knie seiner Hose zu bespritzen. Er kam sich vor wie ein Penner und mochte sich lieber nicht vorstellen, wie das Innere des Wagens inzwischen roch. Zum Glück war es ja nicht sein Auto. Ein großes Glück wäre es auch, wenn er den Wagen unbemerkt zurückbringen konnte. Genau besehen war er längst am Arsch. Egal auf welche Weise diese Sache ans Licht kommen würde, er musste sich vor Valderas, Haversaw und vielleicht auch vor den Leuten der Internen Ermittlungen verantworten. Eine Befragung stand ins Haus – die höfliche und politisch korrekte Bezeichnung für eine Untersuchung, bei der sie ihn gnadenlos bei den Eiern packen würden. Bestand eine Chance, dass er unbeschadet davonkäme? Auf keinen Fall. Würde er seinen Job endgültig loswerden? Höchstwahrscheinlich. Das Einzige, was ihn wirklich ärgerte, wenn er sich dieses Szenario ausmalte, war die Möglichkeit, dass man ihn ganz offiziell kastrierte, ehe er die Chance bekäme, McKee festzunageln. Dies hier war der Fall, den er unbedingt brauchte. Dies war der Fall, mit dem er seinen Selbstrespekt zu retten hoffte.
    Falls es ihm gelang, diesen Fall zu klären, würde er vielleicht nicht weiterhin die Last der Schuldgefühle wegen seines Vaters mit sich herumschleppen – weil er nichts gesagt hatte, weil er etwas hätte unternehmen können, es aber nie getan hatte. Und jetzt dieser Mist von Briley … Er begriff es nicht. Er kapierte einfach nicht, warum ausgerechnet ein Priester seinen Vater verteidigen wollte. Wenn Briley nun allerdings die Wahrheit gesagt hatte …
    Parrish schüttelte den Kopf. Den Luxus solcher Gedanken konnte er sich nicht leisten. Er musste an seiner Überzeugung festhalten. John Parrish war ein Mistkerl gewesen. Wegen John Parrish waren Menschen ums Leben gekommen. Wegen Frank dagegen waren Menschen am Leben geblieben.
    Ging es nicht eigentlich darum?
    Er drehte den Rückspiegel, um sich betrachten zu können. Unrasiert, mit zerzausten Haaren, erschöpft. Er sah beschissen aus, und so fühlte er sich auch.
    Um halb neun Uhr hielt ein Auto vor McKees Haus. Parrishs Herz schlug schneller. Ja! , dachte er, als er Carole Paretski aussteigen sah. Sie blieb auf dem Bürgersteig, während Alex und Sarah aus dem Wagen kletterten und sich der Treppe näherten. Verdammt, Carole Paretski, ich liebe dich!
    Er betrachtete Sarah. Was hatte Carole über ihr Alter gesagt? Vierzehn, fünfzehn? Nicht viel jünger als die Mädchen, die ermordet worden waren. Und mit ihrer Beschreibung hatte Carole ganz richtig gelegen – Sarah war hochgewachsen, schlank und blond, ein attraktives Mädchen. Parrish musste an das Loch in der Ecke ihres Schlafzimmers denken, an ihren Vater, der im Staub des

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