Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
Spiel?«
»Aber natürlich. Darum ging es bei den Saints im Wesentlichen. Immer wenn die Gangster Hilfe von der New Yorker Polizei brauchten, riefen sie bei den Saints an.«
»Wie hat er es dann geschafft, an all diese Belobigungen und Auszeichnungen zu kommen?«
»Der Mob hat ihm Leute überlassen. Hin und wieder wurde der eine oder andere geopfert. Ein oder zwei Verhaftungen. Eine kleine Spedition, die zusammenbricht, und jemand bekommt ein paar Jahre aufgebrummt. Die LKWs werden konfisziert, beschlagnahmt und auf irgendeinem Polizeigelände abgestellt. Sechs Monate später verliert jemand die Akten, und die Fahrzeuge werden für kleines Geld an eine andere Firma verkauft. So liefen die Dinge.«
»Und Sie haben nie daran gedacht, Ihr Wissen zu melden?«
»Wem? Wem hätte ich es melden sollen? Die Polizei nahm mehr Geld als alle anderen. Und abgesehen davon kann man die Polizei nicht zerschlagen. Das hat keiner je getan, und es wird auch in Zukunft nicht passieren. Ganz abgesehen davon, dass die Beamten ihre Reihen schließen werden und dass die Abteilung für Innere Angelegenheiten, also diejenigen, die polizeiliche Korruption eigentlich untersuchen sollen, selbst Teil der Polizei ist, scheint es mir höchst unwahrscheinlich, dass irgendein Kongressabgeordneter oder Senator jemals die Strafverfolgung eines Polizisten sanktionieren würde, der einen höheren Rang als den eines Sergeants bekleidet. Warum? Weil man nicht zulassen kann, dass die Menschen das Vertrauen in die Polizei verlieren. Das verstehen Sie, oder? Ich muss Ihnen nicht erklären, warum. Wenn man anfängt, mit dem Finger auf die Leute zu zeigen, die das Sagen haben, wird die Öffentlichkeit ziemlich nervös.«
»Und als Sie jünger waren und Ihr Vater noch lebte, da wussten Sie, was er machte? Dass er Geld von Mitgliedern des organisierten Verbrechens annahm und bei Diebstählen am Flughafen ein Auge zudrückte?«
»Dass er ein Auge zudrückte? Dass er ein bisschen Bestechungsgeld nahm? Verdammt, die haben einiges mehr getan als das.«
»Zum Beispiel?«
»Lassen Sie es mich so sagen. Mein Vater hat zehn Jahre fürs Organized Crime Control Bureau gearbeitet, dann weitere zehn Jahre bei der Brooklyn Organized Crime Task Force. Das sind zwanzig Jahre mittendrin im Geschehen. Zwanzig Jahre, in denen er die Aktivitäten dieser Leute untersucht, mit ihnen geredet, sie verhaftet hat. Zwanzig Jahre Konfrontation mit den schlimmsten Versuchungen, die einem begegnen können. Das Geld, die Frauen, der Alkohol, die Drogen – die Möglichkeiten waren grenzenlos. Er und seine Freunde – wir reden über gerade mal zehn oder zwölf Personen – hielten während dieser ganzen Zeit die erfolgreichste Einheit des NYPD am Laufen. Sie verzeichneten mehr Verhaftungen als irgendwer sonst. Sie sorgten für die größte Anzahl von Verurteilungen, die meisten Jahre an Freiheitsstrafen; aber sobald man näher hinschaut, sobald man einen Blick unter die Oberfläche wirft, erkennt man, dass die Leute, die sie verhafteten, bloß Fußsoldaten waren, niemals die Unterbosse oder gar die Bosse. So funktionierte es. Zum Teufel, diese Arschlöcher hatten sogar eine Art Dienstplan dafür, wer als Nächster einkassiert wurde. Das war Teil des Spiels. Drei Jahre draußen fürs Geschäft arbeiten, sechs Monate im Knast. Fünf Jahre, um das Leben zu genießen, ein Jahr oder zwei hinter Gittern. Diese Typen, diese Mafia-Soldaten, bezahlten sich sogar gegenseitig dafür, in den Bau zu wandern. Die Frau von dem-und-dem war schwanger, also übernahm ein anderer seinen Platz auf der Liste und saß seine zwölf Monate für ihn ab. Aber sobald er dann an die Reihe kam, musste der andere seinen Teil übernehmen und seine Strafe auf sich nehmen.«
»Hat Ihr Vater schlimme Dinge getan?«
»Er hat sie nicht nur getan, er hat sie organisiert. Er hat bei einigen der schlimmsten Gaunereien geholfen, die am Flughafen abgezogen wurden.«
»Zum Beispiel?«
»Sie mögen diesen Scheiß, stimmt’s? Es gefällt Ihnen, diese Sachen zu hören, oder? Die alten Kriegsgeschichten.«
»Es ist faszinierend. Beängstigend, und zwar ziemlich, aber auch faszinierend.«
»Ich muss Sie jetzt aber leider verlassen. Morgen reden wir über die Lufthansa und knapp sechs Millionen Dollar, die aus einem Hangar verschwanden. Zur damaligen Zeit war das die größte Beute in der Geschichte der Vereinigten Staaten.«
»Und Ihr Vater …«
»Es war von Anfang an ein Ding der Saints. Was auch erklärt, dass von den
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