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Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Ellory
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wieder an seinem Schreibtisch im 126sten. Revier. Radick hatte ihm eine Nachricht hinterlassen: Schießstand. Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen, ansonsten bis morgen. Parrish hatte kein Mittagessen zu sich genommen und hätte eigentlich hungrig sein sollen, doch davon spürte er nichts. Ein Drink allerdings … ein Drink wäre jetzt sicher gut gewesen.
    Er loggte sich auf seinem Computer in die Datenbank des Reviers ein und startete eine Suche nach vermissten Personen und Morden während der vergangenen vierundzwanzig Monate, bei denen die Opfer zwischen fünfzehn und zwanzig Jahre alt waren. Ausschließlich Mädchen. Während die Maschine sich an die Arbeit machte, besorgte er sich einen Kaffee.
    Als er zurückkam, fand er siebzehn Namen auf seinem Bildschirm. Nur ein einziger Name gehörte zu einem Fall, den er selbst bearbeitet hatte. Januar 2007, eine Neunzehnjährige namens Angela Ross. Parrish erinnerte sich an den Fall. Zunächst als vermisst gemeldet, war Angela am nächsten Morgen tot aufgefunden worden. Man hatte elf Mal auf sie eingestochen – drei Mal am Hals, zwei Mal seitlich am Kopf, und die übrigen Male im oberen Bereich des Torsos. Der Täter war nie gefunden worden, und auch was das Motiv für den Mord betraf, hatten sie völlig im Dunkeln getappt, nicht einmal eine schlüssige Vermutung entwickelt. Aus seinen eigenen Ermittlungen in diesem Fall allerdings wusste Parrish, dass keinerlei Verbindung zum Jugendamt bestand. Angela hatte als jüngstes von vier Kindern noch beide leiblichen Eltern gehabt.
    Er überflog die anderen sechzehn Fälle. Fünf waren Hayes und Wheland zugeteilt, drei davon abgeschlossen worden. Rhodes und Pagliaro hatten an sieben Fällen gearbeitet und sechs davon aufgeklärt; Engel und West hatten zwei von vieren gelöst. Parrish blieben also fünf bislang ungeklärte Fälle, drei davon Vermisste und zwei eindeutige Morde, alles junge Frauen zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren, die im Zuständigkeitsbereich des Reviers wohnten. Er notierte sich die Namen und Fallnummern und machte sich auf den Weg zum Archiv, um sich die betreffenden Akten zu besorgen.
    Die Fotos gaben den Ausschlag. Eine ganze Zeit lang saß er einfach dort und betrachtete die vor ihm ausgebreiteten Fotos. Zwei Morde, drei mutmaßliche Ausreißerinnen. Fünf junge Mädchen, mindestens zwei von ihnen schon am Ende ihres Lebens, bevor dieses Lebens richtig begonnen hatte. In einem Fall – die siebzehnjährige Jennifer Baumann – war die Leiche sorgsam auf einem Motelbett abgelegt worden, friedlich beinahe, wie ein einvernehmlich dargebrachtes Opfer. Es gab Blutergüsse und Anzeichen einer Fesselung an Hand- und Fußgelenken, und bei dem Motelzimmer handelte es sich nicht um den eigentlichen Tatort. Jennifer war dort nicht ermordet, sondern einfach deponiert worden, damit man sie fand. Ein anderes Mädchen – Nicole Benedict, ebenfalls siebzehn – hatte man in einem Matratzenbeutel im Treppenhaus eines Wohnblocks gefunden. Ihr Kopf war in einem unnatürlichen Winkel nach hinten verdreht. Parrish starrte eine ganze Weile auf das Foto, das ihm gleichermaßen schrill wie verstörend erschien. Es kam ihm physisch unmöglich vor, so etwas mit einem Mädchen anzustellen; doch es war geschehen, und die Fotos lieferten den Beweis.
    Parrish sammelte die Akten ein und kehrte in sein Büro zurück. Nach einer Stunde Arbeit war er auf lediglich eine Querverbindung zum Jugendamt gestoßen – eine Fußnote bloß, die Hayes hinterlassen hatte und aus der nicht eindeutig hervorging, ob Jennifer Baumann selbst vom Jugendamt betreut worden war, oder ob es um eine Freundin von ihr ging, die befragt werden musste. Parrish hatte nicht vor, die Angelegenheit mit Hayes zu besprechen. Sein Plan – der sicher der Höflichkeit, wenn nicht gar den Vorschriften zuwiderlief – lautete schlicht, nichts über sein Interesse an diesen Fällen verlauten zu lassen.
    Er legte die Akten in eine der unteren Schubladen, die beiden Mordfälle zuoberst, und ehe er aufbrach, warf er einen letzten Blick auf das Gesicht von Jennifer Baumann. Ihre Augen drückten die personifizierte Traurigkeit aus, eine derart tiefe Traurigkeit, dass Parrish sich innerlich ausgehöhlt fühlte. Er hatte es jetzt mit vier toten Mädchen zu tun – Rebecca, Karen, Jennifer und Nicole. Vielleicht hatten ihre Todesfälle nichts miteinander zu tun, vielleicht waren drei für seine derzeitige Aufgabe völlig irrelevant, doch es konnte nicht schaden, sie eine

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