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Der Schrei des Löwen

Der Schrei des Löwen

Titel: Der Schrei des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin Ramadan
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ausgestorben.
    Julian fuhr sich durch seine dunkelblonden Haare. »Mann, hier sieht es echt aus wie in einem Mafiafilm!«, stellte er fest.
    »Du solltest dich schämen!«, schalt ihn seine Mutter. Sie sah ihn im Rückspiegel an. »Sizilien besteht nicht nur aus der Mafia. So etwas nennt man ein Klischee. Eigentlich müsstest du alt genug sein, um das zu wissen!«
    Frederike hörte auf zu tippen. »Cool! Übernachten wir wirklich in einem Mafiahotel?« Sie hob den Kopf. »Ich wollte schon immer von einem richtigen Gangster entjungfert werden!«
    »Was!?« Ihr Vater drehte sich kurz um, dann stieg er mit beiden Füßen auf die Bremse. »Scheiße!«
    Ein Hund überquerte in aller Seelenruhe die Dorfstraße.
    Julians Mutter legte seinem Vater die Hand auf den Oberschenkel. »Klaus, du hast mir doch versprochen die Arbeit zu vergessen und dich zu entspannen!« Anschließend erschien ihr Kopf wieder zwischen den Vordersitzen. »Und ihr da hinten gebt endlich Ruhe! Wir sind hier, um uns zu erholen! Also tut mir den Gefallen und erholt euch gefälligst!«
    Julian verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Es hatte sowieso keinen Sinn. Mit oder ohne Meer – dieser ganze Urlaub war völlig bescheuert.
    Nach einer weiteren Stunde Irrfahrt durch das sizilianische Hinterland fanden seine Eltern endlich die Ferienanlage. Das »Palm Beach Resort« lag versteckt in einer malerischen Bucht und gehörte eindeutig zu den besseren Familienhotels. Die einzelnen Gebäude lagen in einem weitläufigen, gepflegten Garten und der hoteleigene, mit akkuraten Sonnenschirmreihen gespickte Strand strahlte vor dem Hintergrund des azurblauen Meeres in einem makellosen Weiß.
    Sein Vater parkte den Wagen, und als sie die klimatisierte Hotellobby betraten, eilte sofort der Empfangschef auf sie zu.
    »Signorina! Signore! Buongiorno!«, begrüßte er die neu eingetroffenen Gäste. Er verbeugte sich artig und führte Julians Eltern an einen modern gestylten Tresen aus poliertem Walnussholz.
    »Dürfte ich Ihre Namen erfahren, Signore?« Er sah auf den Bildschirm des Hotelcomputers.
    »Wegmann. Klaus Wegmann.«
    »Mit Familie«, fügte Julians Mutter hinzu.
    »Ah, Dottore Wegmann!« Der Empfangschef scrollte den Bildschirm herunter, bis er den gesuchten Eintrag gefunden hatte. »Wir haben Sie drei Stunden früher erwartet.« Er drehte sich um und nahm einen der bunten Zimmerschlüssel vom Haken. »Wir hätten Sie auch vom Flughafen abholen können. Unseren Gästen steht ein kostenloser Shuttleservice zur Verfügung. Und einen Wagen hätten Sie ebenfalls bei uns im Hotel mieten können. Das wäre sogar günstiger gewesen.«
    Julians Vater warf seiner Frau einen Blick zu, den sie geflissentlich übersah. Der Empfangschef winkte einen uniformierten Pagen herbei und teilte ihm die Zimmernummer mit. Dann übergab er Julians Vater den Zimmerschlüssel mit einem geübten Lächeln. »Signore! Willkommen im Paradies!«

7.
    Yoba hatte Schwierigkeiten, dem hinkenden Jungen zu folgen. Trotz seiner Behinderung bewegte sich der Bursche erstaunlich flink durch die Menschenmenge. Schon bald hatten sie die Kathedrale erreicht. Sie ließen sie links liegen und überquerten den Platz vor dem Bahnhof. Endlich blieb der Junge vor einer Bar stehen. Auf der Hauswand neben dem Eingang prangte gut sichtbar das Graffito einer schwarzen Axt. Die Blood Axes waren die erbitterten Feinde der Black Eagles und ausnahmsweise war Yoba froh, dass er das Adlerzeichen noch nicht auf dem Arm trug.
    Der Junge deutete auf eines der Fenster im ersten Stock über der Bar. »Er ist da oben!«, sagte er. »Und denk dran: Jetzt schuldest du mir schon zwei Gefallen!«
    Die Rotzfäden liefen ihm aus der Nase, aber das schien ihn nicht sonderlich zu kümmern. Stattdessen machte er kurzerhand wieder kehrt und trat den Rückweg an. Yoba blickte ihm nach und fühlte sich inmitten der vielen Menschen plötzlich elendig allein. Die geladene Pistole in seinem Hosenbund war höllisch schwer und er musste aufpassen, dass ihr Gewicht ihm nicht auf offener Straße die Hose herunterzog. Er versuchte möglichst unauffällig zu wirken. Sein Puls raste und ihm wurde schlecht. Er sollte da hochgehen, den Verräter erschießen und das Geld, das er bei ihm fand, zurückbringen. Mehr hatte ihm Big Eagle nicht gesagt. Aber sie hatten Chioke zur Sicherheit dabehalten. Nur für den Fall, dass er auf die Idee käme, mit dem Geld abzuhauen.
    Yoba warf einen Blick zu dem Fenster hinauf. Jemand hatte es von innen mit einem

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