Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schrei des Löwen

Der Schrei des Löwen

Titel: Der Schrei des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin Ramadan
Vom Netzwerk:
Meer hinaus.
    »Irgendwo dahinten liegt die Sahara!«, stellte Adria nach einer Weile fest. Sie deutete auf den gewölbten Horizont. »Immer wenn ich hier oben bin, stelle ich mir vor, wie es da drüben wohl aussieht.« Neugierig drehte sie sich zu Julian. »Warst du mal in Afrika?«
    »Nö.« Julian zuckte mit den Schultern. »Wüsste nicht, was ich da soll.«
    »Du bist schon ein komischer Vogel«, bemerkte Adria kopfschüttelnd. »Also, mich würde das interessieren.«
    »Wahrscheinlich sieht es da drüben nicht viel anders aus als hier«, meinte Julian. Er versuchte zu retten, was zu retten war. »Bestimmt ist es ganz okay da.«
    »Gehst du noch zur Schule?«, wollte sie nun wissen.
    »Ja. Aber nicht mehr lange.«
    »Echt?« Adria war überrascht. »Bist du schon fertig?«
    Julian grinste. »So kann man es auch nennen. Wahrscheinlich fliege ich nach den Ferien.«
    »Im Ernst? Weshalb denn?«
    »Weil ich eine Schüssel mit Haschkeksen auf den Tisch im Lehrerzimmer gestellt habe. Mit den besten Grüßen der ganzen Klasse.«
    Adria sah ihn mit großen Augen an, plötzlich prustete sie los. »Das ist allerdings ein Grund!«, kicherte sie, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte. »Gratis-Kekse! Ich wette, die Schüssel war in fünf Minuten leer gefuttert!«
    »In einer!«
    »Und was willst du jetzt machen?«
    »Keine Ahnung.« Julian entdeckte ein einsames Fischerbootin der Weite des Meeres. Es war nur ein winziger Punkt. »Auf Schule habe ich jedenfalls keinen Bock mehr«, sagte er. »Vielleicht werde ich Musiker. Ich spiele Gitarre. Ziemlich gut sogar.«
    Plötzlich hörten er und Adria zwischen den Felsen ein genervtes Stöhnen. Julians Schwester kam auf allen vieren den steilen Felspfad hinaufgekraxelt. Sie trug ihren blauen Lieblingsbadeanzug und ihre Haut hatte bereits einen nicht zu übersehenden Rotstich.
    »Oh, Mann! Da bist du ja endlich!«, keuchte sie, als sie Julian entdeckte. »Wir suchen dich die ganze Zeit. Papa wollte sich mit dir zum Tauchkurs anmelden, schon vergessen?« Während sie sprach, scannte sie Adria blitzschnell von den Zehen bis zu den Haarspitzen.
    »Buongiorno!«, sagte Adria mit einem freundlichen Lächeln. Sie hielt ihre Hand schützend über die Augen, um Frederike besser gegen die Sonne sehen zu können. Hinter ihrem Rücken gab Julian seiner Schwester hektische Zeichen, sie solle wieder verschwinden. Aber Frederike dachte gar nicht daran.
    »Also, was ist jetzt?«, wollte sie von ihrem Bruder wissen. »Papa ist schon sauer und Mama macht einen auf enttäuscht. Ich hab keinen Bock auf Stress! Klar?«
    »Jetzt mach nicht so einen Aufstand!«, blaffte Julian sie an. »Ich komme ja gleich!«
    Frederike rührte sich nicht vom Fleck.
    »Zwei Minuten!«, zischte Julian. »Okay?«
    Seine Schwester zögerte. »Wehe, ich hab den ganzen Weg umsonst gemacht!«
    Sie drehte sich um und begann den Abstieg zum Strand. Nachdem ihr dunkelblonder Pferdeschwanz zwischen den Klippenverschwunden war, atmete Julian erleichtert auf. Familienurlaub war wirklich der reinste Horror.
    »Dein Vater und du, taucht ihr immer zusammen?«, nahm Adria das Gespräch wieder auf. »Das finde ich super. Meiner hat nie Zeit für so was.«
    »Es ist das erste Mal«, brummte Julian. Der peinliche Auftritt seiner Schwester schlug ihm schwer aufs Gemüt. »Mein Alter hat Angst vor Wasser.«
    Adria sah ihn erstaunt an. »Aber warum geht er dann tauchen?«
    Julian beobachtete eine in der Brandung fischende Möwe.
    »Das ist eine komplizierte Geschichte«, sagte er endlich. Als sich Adria mit seiner Erklärung nicht zufriedengab, seufzte er: »Also gut, wenn du es unbedingt wissen willst: Er tut es wegen mir.«

11.
    Der alte Parkplatzwächter führte Yoba und seinen Bruder durch dunkle Hinterhöfe und verwinkelte Gassen der schlafenden Stadt. Sie hatten es eilig. Am nächtlichen Himmel kündigte sich bereits der neue Tag an, aber ein Taxi zu nehmen wäre zu riskant gewesen. Die Taxifahrer würden die Ersten sein, bei denen sich die Black Eagles nach ihnen erkundigen würden, und spätestens bis Mittag würde jede Marktfrau und jedes Schulkind ihre Personenbeschreibung haben. Daran zweifelte Yoba keine Sekunde. Obwohl die Stadt im morgendlichen Zwielicht wie ausgestorben wirkte, blickte er immer wieder nervös zurück. Näherte sich ein einsames Moped oder ein anderes Motorengeräusch, zuckte er unwillkürlich zusammen und drückte die Tasche mit dem Geld fester an sich.
    Als es hell wurde, erreichten sie endlich ihr Ziel am

Weitere Kostenlose Bücher