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Der Schrei des Löwen

Der Schrei des Löwen

Titel: Der Schrei des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin Ramadan
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oder Autos handelte, war ihm gleichgültig. Aber sein Gezeter tat Yobas guter Stimmung keinen Abbruch. Im Gegenteil. Je weiter sie sich von Big E und der Gang entfernten, desto besser fühlte er sich, und als sie die Stadtgrenze endlich hinter sich gelassen hatten, kam es ihm so vor, als beginne ein neues Leben. Neben ihm schaute sein Bruder begeistert aus dem offenen Fenster. Yoba knuffte ihn in die Seite.
    »Die Aussicht aus dem Laster ist klasse, findest du nicht?«
    Sein Bruder nickte eifrig, ohne seinen Blick von dem Treiben entlang der asphaltierten Landstraße abzuwenden. Yoba lachte. Am Fahrbahnrand kam ein imposanter Kapokbaum in Sicht. Unter seiner ausladenden Krone boten schrumpelige, alte Bäuerinnen in farbenprächtigen Gewändern Mangos und selbst gebackene Hirseplätzchen feil. Yoba fiel ein, dass er seit Stunden nichts gegessen hatte, aber eigenartigerweise verspürte er nicht den geringsten Hunger. Wahrscheinlich lag das an der Aufregung. Immerhin wurde man nicht alle Tage als neuer Mensch geboren.
    »Ab jetzt können wir alles vergessen!«, flüsterte Yoba seinem Bruder ins Ohr. »Wir fangen ganz neu an!«
    Osondu lehnte sich aus dem Fahrerfenster und brüllte einen Hirten an, der ein abgemagertes Rind über die Straße trieb. Der Jugendliche antwortete mit einer obszönen Geste. Kurz darauf kamen sie an eine Straßensperre. Mit Beton ausgegossene Ölfässer verengten die Fahrbahn und vor einer windschiefen Baracke schwitzten bewaffnete Soldaten in der Sonne. Osondu lenkte den Tanklaster behutsam an den Straßenrand und stieg aus. Den Motor ließ er laufen.
    »Hallo, Osondu!«, begrüßte ihn einer der jungen Soldaten. »Wie laufen die Geschäfte?«
    »Wenn ihr Halsabschneider nicht wärt, würde ich nicht klagen«, knurrte Osondu, während er die Tür des Lasters hinter sich zuschlug.
    »Bist du allein unterwegs?« Der Soldat klang überrascht.
    »Kalu hat frei«, brummte Osondu. »Seine Tochter heiratet nächstes Wochenende.«
    Missmutig stapfte er an den Soldaten vorbei und verschwand in der Baracke. Der Soldat, der ihn angesprochen hatte, näherte sich dem Tanklaster. Er war höchstens zwei Jahre älter als Yoba. Die viel zu große Uniform schlotterte um seinen hageren Körper und die Maschinenpistole wirkte in seinen Händen riesig. Er schlich langsam um den Lastwagen herum. Yoba hielt den Atem an. Als der Soldat auf der Beifahrerseite war, schwang er sich auf das Trittbrett.
    »Wer seid ihr?«, schnauzte er Chioke durch das offene Fenster an.
    »Wir fahren nur mit!«, entgegnete Yoba an Stelle seines Bruders.
    »Und was ist da drin?« Der Soldat deutete auf die Tüte zwischen Yobas Füßen.
    Yoba wurde heiß und kalt zugleich. Wenn der neugierige Kerl einen Blick in die Tüte warf, würde er die Dose mit dem Geld finden. In dem Fall war ihre Flucht zu Ende, ehe sie überhaupt begonnen hatte. Yoba überlegte verzweifelt, was er antworten könnte, ohne die Gier des jungen Mannes zu wecken, da kam im letzten Moment Osondu aus der Baracke. Der Soldat sprang vom Trittbrett.
    »Sind das deine?« Er zeigte mit der Maschinenpistole hinauf zu Chioke und Yoba.
    »Gott behüte!«, wehrte Osondu empört ab. »Ich tue einem Freund von mir nur einen Gefallen und nehme sie mit. Sie wollen nach Kano zu ihrer Tante.«
    »Hey!«, brüllte der Soldat von der anderen Seite der Straßensperre. »Sollen wir etwa alles alleine machen? Beweg deinen fetten Arsch!«
    Der andere Soldat kontrollierte gerade die Papiere eines überfüllten Kleinbusses, während ein anderer Uniformierter die Insassen zum Aussteigen zwang. In der Gegenrichtung hatte sich bereits eine Schlange aus Lastwagen gebildet. Die Bauern aus der Umgebung drängten mit ihren Produkten in die Stadt, um sie dort auf den Märkten zu verkaufen.
    »Großmaul!«, murmelte der Soldat, dann wandte er sich an Osondu. »Du verlierst Öl«, meinte er beiläufig.
    Unter dem laufenden Motor des Tanklasters hatte sich innerhalb weniger Minuten eine schimmernde Öllache gebildet.
    »Ich weiß«, antwortete Osondu. »Es ist das Getriebe. Mal wieder. Aber mit Gottes Hilfe wird es schon halten. Gibt es was Neues?«
    Der Soldat schulterte seine Maschinenpistole. »Oben im Norden zünden sie sich mal wieder gegenseitig die Kirchenund Moscheen an. Also sieh dich vor. Allein letzte Woche gab es auf deiner Strecke drei Überfälle.«
    Der Soldat gesellte sich lustlos zu seinen Kameraden. Osondu spuckte in den roten Sand und kletterte wieder hinter das Steuer. Kaum hatten sie

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