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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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erfuhr, daß ich aus dem Westen bin, lud er mich zum Essen ein.«
    »Soll das heißen, daß er auf Sie zugesprungen ist, als Sie vorüberkamen, und Sie gepackt hat?«
    »O nein. Ich ging nicht vorüber. Ich – äh – ich stand so vor der Schwelle. Wenigstens …«
    »Sie standen vor der Schwelle? Warum?«
    Georges Ohren färbten sich noch tiefer rot. »Ja, ich äh – ich wollte sozusagen einen Besuch machen.«
    »Einen Besuch?«
    »Ja.«
    »Bei Mutter?«
    »Bei Ihnen.«
    Die Augen des Mädchens wurden groß. »Bei mir?«
    »Um mich zu erkundigen.«
    »Wonach?«
    »Nach Ihrem Hund.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Ja, ich dachte – die Aufregung – und die Nervenanspannung – ich dachte, es könnte ihm geschadet haben.«
    »Sie dachten, er könnte einen nervösen Zusammenbruch haben, weil er davongelaufen ist?«
    »Der gefährliche Verkehr«, erklärte George. »Er hätte überfahren werden können. Die Reaktion. Nervenkollaps.«
    Es ist etwas Wunderbares um die weibliche Intuition. Molly hielt ihn nicht für wahnsinnig, sondern war gerührt. Als sie erkannte, daß dieser junge Mann so viel von ihr hielt, daß er trotz seiner krankhaften Schüchternheit bereit war, mit einer Ausrede, die auch er selbst für mehr als dünn halten mußte, zu ihr vorzudringen, schlug ihr Herz wärmer für ihn.
    »Das ist aber wirklich reizend von Ihnen«, sagte sie.
    »Ich habe Hunde gern«, murmelte George.
    »Ja, Sie müssen Hunde wirklich gern haben.«
    »Haben Sie Hunde gern?«
    »Ja, ich habe Hunde sehr gern.«
    »Ich auch. Sehr gern.«
    »Ja?«
    »Ja. Sehr gern. Manche Leute haben Hunde nicht gern. Aber ich schon.«
    Und plötzlich wurde George Finch beredt. Mit funkelnden Augen brach er in eine Art Litanei aus.
    »Ich habe Airedales gern und stichelhaarige Terrier und Bulldoggen und Pekinesen und Sealyhams und Dobermanns und Foxterrier und Schäferhunde und sibirische Steppenhunde und Pinscher und Rattler und Spitze und Spaniels und Windhunde und Barsois und Bluthunde und Jagdhunde und Vorstehhunde und Doggen und Neufundländer und Bernhardiner und Rehpinscher und Dackel und Collies und Pudel und …«
    »Ich sehe«, sagte Molly, »Sie haben Hunde gern.«
    »Ja«, antwortete George. »Sehr gern.«
    »Ich auch. Hunde haben so etwas.«
    »Ja. Aber Katzen haben natürlich auch etwas.«
    »Ja, nicht wahr?«
    »Aber trotzdem, Katzen sind nicht Hunde.«
    »Nein, das habe ich auch gefunden.«
    Das Gespräch versiegte. George, der davon überzeugt war, daß er sich über diesen Stoff einigermaßen ausbreiten konnte, merkte mit sinkendem Herzen, daß das Mädchen das Thema Hunde für erledigt hielt. In stummen Gedanken leckte er sich eine Zeitlang die Lippen.
    »Sie sind also aus dem Westen?« fragte Molly.
    »Ja.«
    »Es muß nett sein dort draußen.«
    »Ja.«
    »Prärien und lauter so Sachen.«
    »Ja.«
    »Sie waren nicht Cowboy, nicht wahr?«
    »Nein. Ich bin Künstler«, sagte George stolz.
    »Künstler? Sie malen Bilder, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Haben Sie ein Atelier?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »Ja. Ich meine, in der Nähe des Washington Square. In einem Haus, das Sheridan heißt.«
    »Im Sheridan? Wirklich? Da kennen Sie vielleicht Mr. Beamish?«
    »Ja. O ja. Ja.«
    »Er ist ein lieber Mensch, nicht? Ich kenne ihn, seit ich auf der Welt bin.«
    »Ja.«
    »Es muß nett sein, Künstler zu sein.«
    »Ja.«
    »Ich würde gern ein paar von Ihren Bildern sehen.«
    Warme Schauer überliefen Georges Leib.
    »Darf ich Ihnen eines schicken?« blökte er.
    »Das wäre schrecklich lieb von Ihnen.«
    George Finch war so begeistert von dieser ganz unerwarteten Entwicklung der Dinge, daß gar nicht abzusehen ist, zu welchen Höhen der Beredsamkeit er sich noch emporgeschwungen hätte, wenn ihm zehn ungestörte Minuten in der Gesellschaft des Mädchens gewährt worden wären. Daß sie bereit war, eines seiner Bilder anzunehmen, schien sie ihm sehr nahe zu bringen. Er hatte noch nie einen Menschen gesehen, der dazu bereit war. Zum erstenmal im Verlauf des Gespräches war er fast so weit, sich nicht verlegen zu fühlen.
    Unglückseligerweise öffnete sich in diesem Augenblick die Tür, und wie ein Giftgasangriff schob Mrs. Waddington sich in das Zimmer.
    »Was machst du hier unten, Molly?« fragte sie.
    Sie warf George einen ihrer Bücke zu, und augenblicklich verdorrte seine kaum errungene Kaltblütigkeit in den Wurzeln.
    »Ich habe mich mit Mr. Finch unterhalten, Mutter. Ist das nicht interessant – Mr. Finch ist Künstler. Er malt

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