Der schüchterne Junggeselle
dürfe.
»Aber ich kann sie doch hören«, bemerkte George.
Der Hausmeister zuckte die Achseln und wiederholte: »Mrs. Waddington ist nicht zu Hause.«
Eine kleine Pause trat ein. Dann sagte George: »Ein hübscher Vormittag.«
»Das Wetter scheint es gut zu meinen«, stimmte Ferris zu. Hierauf schwankte George die Stufen wieder hinunter, und die Unterredung hatte ihr Ende gefunden.
VIERTES KAPITEL
1
»Erzähl mir alles«, sagte Hamilton Beamish.
George erzählte alles; dann begann Hamilton Beamish.
»Stellen wir zunächst klar. Du wolltest einen Besuch machen?«
»Ja.«
»Und der Hausmeister weigerte sich, dich einzulassen?«
»Ja.«
Hamilton Beamish betrachtete mitleidig seinen geschlagenen Freund.
»Armer wahnsinniger George«, sagte er, »du scheinst alles ganz durcheinander gebracht zu haben. Warum konntest du nicht warten und dich von mir auf normalem und geradem Weg vorstellen lassen, von mir, einem alten Freund der Familie? Ich hätte alles in die richtigen Bahnen geleitet. Wie die Dinge jetzt stehen, hast du dir den Stempel des Ausgestoßenen aufdrücken lassen.«
»Aber als der alte Waddington mich zum Dinner einlud – ganz richtig zum Dinner einlud …«
»Hättest du ihm einen Tritt in die Augen geben und dich schleunigst davonmachen sollen«, sagte Hamilton Beamish fest. »Nach allem, was ich dir über Sigsbee H. Waddington sagte, konntest du dir doch keine Illusionen darüber machen, wieviel seine Protektion dir in dem Haus helfen kann? Waddington gehört zu den Männern, die nur Sympathie für jemand zeigen müssen, damit ihre Frauen den Betreffenden als ein Geschöpf der Unterwelt betrachten. Und wenn er eine Type – ich gebrauche das Wort in seiner freundlichsten Bedeutung – ins Haus bringt und das noch dazu fünf Minuten vor Beginn einer feierlichen Dinnergesellschaft tut und so alles über den Haufen wirft und die Küche zur Verzweiflung bringt, kannst du dann einer Frau einen Vorwurf daraus machen, daß sie dich nicht mit offenen Armen empfängt? Und noch dazu mußt du dich als Künstler ausgeben.«
»Ich bin Künstler«, sagte George mit aufflammendem Stolz. In dieser Hinsicht verstand er keinen Spaß.
»Darüber ließe sich streiten. Auf jeden Fall hättest du es Mrs. Waddington verheimlichen müssen. Für eine Frau wie sie sind die Künstler Schandflecken der Gesellschaft. Ich habe dir doch gesagt, daß sie ihre Mitgeschöpfe lediglich nach dem Bankkonto beurteilt.«
»Ich habe ja sehr viel Geld.«
»Woher soll sie das wissen? Du sagst ihr, du seist Künstler, und da stellt sie sich unter dir natürlich..«
Das Schrillen der Telefonklingel unterbrach Mr. Beamishs Gedankenflucht. Als er den Hörer abnahm, runzelte er ungeduldig die Stirn, doch im nächsten Augenblick wurde seine Miene freundlich, und er sprach liebenswürdig und entgegenkommend.
»Ah, Molly, mein Kind!«
»Molly!« rief George.
Hamilton Beamish ignorierte diesen Ausruf.
»Ja«, sagte er. »Er ist ein guter Freund von mir.«
»Ich?« fragte George.
»Ja, er hat mir davon erzählt. Er ist jetzt hier.«
»Will sie mit mir sprechen?« fragte George bebend.
»Selbstverständlich, ich komme sofort.«
Hamilton Beamish legte den Hörer auf und blieb eine Weile in Gedanken stehen.
»Was hat sie gesagt?« fragte George tief bewegt.
»Das ist interessant«, sagte Hamilton Beamish.
»Was hat sie gesagt?«
»Das nötigt mich, meine Anschauungen einigermaßen zu revidieren.«
»Was hat sie gesagt?«
»Und doch hätte ich es voraussehen können.«
»Was hat sie gesagt?«
Hamilton Beamish rieb sich nachdenklich das Kinn »Der Geist eines Mädchens arbeitet seltsam.«
»Was hat sie gesagt?«
»Das war Molly Waddington«, sagte Hamilton Beamish.
»Was hat sie gesagt?«
»Ich weiß durchaus nicht«, meinte Mr. Beamish, George höchst klug und weise durch seine Brille betrachtend, »ob schließlich nicht doch alles gut war. Ich dachte nicht daran, in Betracht zu ziehen, daß diese Vorgänge dich natürlich in den Augen eines warmherzigen Mädchens, das gewöhnlich Männer mit sechsstelligen Einkommen um sich sieht, in einen gewissen romantischen Schimmer hüllen. Jedes Mädchen mit gesunden Instinkten muß sich zu einem pfenniglosen Künstler hingezogen fühlen, den ihre Mutter nicht mit ihr verkehren lassen will.«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie fragte mich, ob du ein Freund von mir seist.«
»Und was hat sie dann gesagt?«
»Sie erzählte mir, daß ihre Stiefmutter verboten habe, dich ins Haus
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