Der schüchterne Junggeselle
öffnete sich, und Ferris zeigte sich auf der Schwelle. Er betrachtete das Mädchen nicht mit dem kalten Mißfallen, das er George Finch gezeigt hatte, sondern mit einer gewissen väterlichen Zärtlichkeit. Ferris hatte einen Taillenumfang von hundertsiebzehn Zentimetern, doch Schönheit machte noch immer Eindruck auf ihn »Mrs. Waddington hat mir aufgetragen zu bestellen, Miss«, sagte er, »daß eine überaus wichtige Angelegenheit sie aus dem Haus gerufen und es ihr unmöglich gemacht hat, Sie heute nachmittag zu empfangen.«
»Das hätte sie mir telefonieren können«, meinte das Mädchen.
Ferris gestattete einer seiner Augenbrauen ein kurzes Zucken, was ausdrücken sollte, daß er durchaus verstehe, aber von seiner Loyalität daran verhindert werde, einer Kritik an seiner Herrschaft ausdrücklich zuzustimmen.
»Mrs. Waddington würde gern wissen, ob es Ihnen passen würde, wenn sie morgen nachmittag um fünf Uhr zu Ihnen kommt, Miss?«
»Gut.«
»Ich danke, Miss. Miss Waddington erwartet Sie, Sir.«
Hamilton Beamish starrte dem Mädchen nach, das sich mit einem freundlichen Kopfnicken für ihn leichten Herzens aus seinem Leben zu entfernen begonnen hatte.
»Wer ist diese junge Dame, Ferris?« fragte er.
»Ich weiß nicht, Sir.«
»Wieso wissen Sie das nicht? Eben schienen Sie sie zu kennen.«
»Nein, Sir. Ich habe die junge Dame zum erstenmal gesehen. Mrs. Waddington hatte nur gesagt, die Dame würde um diese Zeit kommen, und ich sollte ihr diese Bestellung machen.«
»Sagte Mrs. Waddington nicht, wer kommen würde?«
»Jawohl, Sir. Die junge Dame.«
»Esel!« sagte Hamilton Beamish. Aber auch er war nicht stark genug, es laut zu sagen. »Ich meine, hat sie Ihnen nicht den Namen der jungen Dame genannt?«
»Nein, Sir. Wenn Sie gestatten, Sir, werde ich Sie zu Miss Waddington führen; sie ist in der Bibliothek.«
»Es ist aber komisch, daß Mrs. Waddington Ihnen den Namen der jungen Dame nicht genannt hat«, sagte Hamilton Beamish nachdenklich.
»Sehr spaßig, Sir«, stimmte der Hausmeister nachsichtig zu.
3
»Ach, Jimmy, das ist aber lieb von dir, daß du kommst«, rief Molly.
Hamilton Beamish tätschelte zerstreut ihre Hand.
»Ich habe ein wunderbares Erlebnis gehabt«, sagte er.
»Ich auch. Ich glaube, ich bin verliebt.«
»Ich habe in der beschränkten Zeit, die mir zur Verfügung stand, die Angelegenheit mit aller erdenklichen Sorgfalt überlegt«, sagte Hamilton Beamish, »und bin zu dem Schluß gekommen, daß ich auch verliebt bin.«
»Ich glaube, ich bin in deinen Freund George Finch verliebt.«
»Ich bin in …« Hamilton Beamish unterbrach sich. »Ich weiß nicht, wie sie heißt. Sie ist ein ganz bezauberndes Mädchen. Ich habe sie auf dem Autobus gesehen, und vor der Tür haben wir eine Weile miteinander geplaudert. Ich habe ihr etwas aus dem Auge genommen.«
Molly starrte ihn ungläubig an.
»Du hast dich in ein Mädchen verliebt und weißt nicht, wer sie ist? Aber du hast doch immer gesagt, daß Liebe ein von der Vernunft geleitetes Gefühl ist und so weiter.«
»Man ändert seine Anschauungen«, sagte Hamilton Beamish. »Die geistigen Fähigkeiten eines Mannes sind nicht verhaftet. Man entwickelt sich.«
»So überrascht war ich noch nie in meinem Leben.«
»Es kam ganz überraschend für mich«, sagte Hamilton Beamish. »Es ist ganz besonders betrüblich, daß ich nicht weiß, wie sie heißt, wo sie wohnt und auch sonst nichts; nur daß sie eine Freundin – oder wenigstens eine Bekannte – deiner Stiefmutter zu sein scheint.«
»Ach so, sie kennt Mutter, ja?«
»Anscheinend. Sie war hierher bestellt.«
»Mutter wird von allen möglichen unheimlichen Leuten besucht. Sie ist bei mindestens hundert Vereinen Ehrenschriftführerin.«
»Dieses Mädchen war von mittlerer Größe, sie hatte eine ungewöhnlich anmutige Gestalt und hellbraunes Haar. Sie trug ein Complet, Mantel aus feinem Rips, Kleid aus gemustertem Maroquin, Falten an den Seiten, am Hals von einer kleinen Krause eingefaßt. Ihre Augen haben ein zartes Grau wie Sonnenaufgangsnebel, die über einem Zauberweiher im Feenland schweben. Erinnert dich diese Beschreibung an jemand?«
»Nein, ich glaube nicht – sie scheint aber nett zu sein.«
»Sie ist nett. Ich blickte nur einen Augenblick in diese Augen, aber ich werde sie nie vergessen. Sie waren tiefer als der tiefste Brunnen.«
»Ich könnte Mutter fragen, wer sie ist.«
»Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das tun wolltest«, sagte Hamilton
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