Der schüchterne Junggeselle
Hochzeit stattfinden soll?«
»Es ist ein kleines Malheur passiert«, erklärte Hamilton Beamish. »Der Geistliche hat sich den Fuß verstaucht, und Mrs. Waddington ist mit Molly nach Flushing gefahren, um einen Ersatzmann zu holen. Und George ist zur Bahn gegangen …«
»Ja, warum ist George zur Bahn gegangen?«
Hamilton Beamish zauderte. Dann empörte ihn der Gedanke, daß er diesem Mädchen etwas verheimlichen sollte, und er sprach.
»Können Sie ein Geheimnis bewahren?«
»Ich weiß nicht. Ich habe es noch nie probiert.«
»Also, das muß ganz unter uns bleiben. Der arme George hat Sorgen.«
»Schlimmere Sorgen als jeder Bräutigam?«
»Bitte, sprechen Sie doch nicht so«, sagte Hamilton gequält. »Sie scheinen über die Liebe zu spotten.«
»Ach, ich habe gar nichts gegen Liebe.«
»Die Liebe ist das einzige Wertvolle auf der Welt …«
»Sie wollten mir sagen, was George für Sorgen hat.«
Hamilton Beamish senkte die Stimme.
»Also, unmittelbar vor seiner Hochzeit ist eine alte Bekannte von ihm plötzlich aufgetaucht.«
»Ich beginne zu verstehen.«
»George hat ihr Briefe geschrieben, die sie noch besitzt.«
»Noch schlimmer.«
»Und wenn sie Ungelegenheiten macht, wird aus der Hochzeit nichts werden. Mrs. Waddington wartet nur auf eine Gelegenheit, sie zu hintertreiben. Sie hat schon mit vielen Worten gesagt, daß sie an Georges Moral zweifelt.«
»Lächerlich! George ist unschuldig wie frisch gefallener Schnee.«
»Ganz richtig. Ein durchaus vornehmer Mann. Ich kann mich sogar erinnern, daß er einmal bei einem Herrenabend vom Tisch gegangen ist, weil jemand eine unanständige Geschichte erzählte.«
»Sehr schön von ihm! Wie ist denn die Geschichte?«
»Ich weiß nicht mehr. Jedenfalls hat Mrs. Waddington diese Meinung von ihm.«
»Das klingt ja sehr interessant. Was wollen Sie tun?«
»Ja, George ist zur Bahn gegangen, um diese Miss Stubbs womöglich abzufangen und zur Vernunft zu bringen.«
»Miss Stubbs?«
»So heißt sie. Übrigens, sie ist aus East Gilead. Kennen Sie sie vielleicht?«
»Ich glaube mich an den Namen zu erinnern. George will sie also zur Vernunft bringen?«
»Ja. Aber sie wird natürlich darauf bestehen herzukommen.«
»Das ist schlimm.«
Hamilton Beamish lächelte.
»Nicht ganz so schlimm, wie Sie glauben«, sagte er. »Ich habe ein wenig darüber nachgedacht und kann sagen, daß ich die Situation jetzt in der Hand habe. Ich habe für alles gesorgt.«
»Sie müssen schrecklich gescheit sein.«
»Ach, es geht!« sagte Hamilton Beamish bescheiden.
»Aber das wußte ich natürlich sofort, wie ich Ihre Büchlein gelesen hatte. Haben Sie eine Zigarette?«
»O Pardon.«
Madame Eulalie bediente sich aus seinem Etui und zündete an. Hamilton Beamish nahm ihr das Streichholz aus den Fingern, blies es aus und versorgte es ehrfürchtig in der linken oberen Westentasche.
»Weiter«, sagte Madame Eulalie.
»Ach ja«, sagte Hamilton Beamish, wieder zu sich kommend. »Wir sprachen von George. George scheint noch in East Gilead mit einem Mädchen namens May Stubbs verlobt gewesen zu sein. Ein scheußlicher Name!«
»Fürchterlich. Ich würde den Namen ändern.«
»Dann kam er zu Geld, reiste nach New York und vergaß sie ganz.«
»Aber sie vergaß ihn nicht?«
»Anscheinend nicht. Ich stelle sie mir als armselige kleine Landpomeranze vor – Sie wissen ja, wie diese Dorfmädchen sind – ohne jede Aussicht auf einen anderen Mann. Deshalb klammert sie sich an ihre einzige Chance. Sie denkt wohl, wenn sie jetzt herkommt, kann sie George dazu zwingen, daß er sie heiratet.«
»Aber Sie werden zu gescheit sein, um es zu etwas Derartigem kommen zu lassen?«
»Ja.«
»Sie sind doch ein wunderbarer Mensch!«
»Sie sind wirklich zu freundlich«, sagte Hamilton Beamish, seine Weste hinunterzupfend.
»Was haben Sie veranlaßt?«
»Ja, die ganze Schwierigkeit liegt darin, daß George jetzt als derjenige dasteht, der das Verlöbnis gebrochen hat. Wenn also diese May Stubbs kommt, werde ich sie dazu bringen, daß sie ihn aus freiem Willen fallen läßt.«
»Und wie wollen Sie das tun?«
»Das ist ganz einfach. Wir können als selbstverständlich voraussetzen, daß sie Vorurteile hat. Ich habe daher ein kleines Drama ausgedacht, das George als ruchlosen Wüstling hinstellen wird.«
»George!«
»Sie wird empört und entsetzt sein und sofort alle Beziehungen zu ihm abbrechen.«
»Aha. Haben Sie das alles allein ausgedacht?«
»Ganz allein.«
»Sie sind zu
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