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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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gedrängt, genauere Mitteilungen zu machen, ihre Nerven aber schienen sehr mitgenommen zu sein. Sie schrie, wie mein Gewährsmann berichtet, und rang die Hände. Sie wankte durch das Zimmer, brach an dem Tisch mit den Hochzeitsgeschenken zusammen und schien ohnmächtig zu werden. Unmittelbar darauf aber schien sie sich wieder zu erholen und entfernte sich eilig mit den Worten: ›Luft! Luft! Ich muß an die Luft!‹ durch die Gartentür. Soviel ich weiß, Sir, wurde sie nachher nicht mehr gesehen.«
    »Und was ist dann geschehen?«
    »Mrs. Waddington wollte die Hochzeit nicht stattfinden lassen. Die Gäste kehrten nach New York zurück. Mr. Finch brachte gewisse Proteste vor, die mein Gewährsmann nicht deutlich hören konnte, die aber unzusammenhängend und nicht überzeugend zu sein schienen, und entfernte sich gleichfalls. Mrs. Waddington ist seit einiger Zeit mit Miss Waddington im Boudoir. Ein sehr unangenehmer Vorfall, Sir.«
    Man berichtet es nur ungern, aber es läßt sich nicht leugnen, daß Sigsbee H. Waddingtons erstes Gefühl, als er seine Verblüffung überwunden hatte, Erleichterung war. Er dachte an nichts anderes als an die Unannehmlichkeiten, die ihm so erspart blieben. Seine Abwesenheit war höchstwahrscheinlich nicht aufgefallen, und die Predigt, an die er so angstvoll gedacht hatte, würde ihm nie gehalten werden.
    Dann aber kam ihm plötzlich ein Gedanke, der ihn erstarren machte.
    »Wie hat das Mädchen ausgesehen?«
    »Mein Gewährsmann beschreibt sie als klein und hübsch gewachsen, Sir. Sie hatte eine Stupsnase und ausdrucksvolle schwarze Augen, Sir.«
    »Du großer Gott!« rief Mr. Waddington aus.
    Er sprang vom Sofa auf und lief, obgleich seine Füße ihn schmerzten, in raschem Tempo durch die Diele. Er eilte in das Speisezimmer, machte Licht und stürzte zu dem Tisch mit den Hochzeitsgeschenken. Zunächst schienen alle da zu sein, aber ein zweiter Blick zeigte ihm, daß sein Argwohn begründet war.
    Das Etui mit dem Kollier war weg.

DREIZEHNTES KAPITEL
    Sigsbees Entsetzen wich bald einem andern Gefühl. Es war nicht seine Absicht gewesen, daß seine junge Helferin sich des Kolliers bemächtigen und es für ihre eigenen Zwecke behalten sollte; aber weshalb, so fragte er sich, jetzt, da es einmal geschehen war, Trübsal blasen? Die Hauptsache war, daß das Kollier verschwunden war. Schließlich war das ja der einzige Zweck seiner Operation gewesen.
    Das Resultat war, daß er seine dreihundert Dollar noch immer hatte und infolgedessen in der Lage war, wenn er den Polizisten wieder treffen sollte und dieser noch nichts von der neuen Sachlage wußte …
    Mr. Waddington stieß plötzlich einen lauten Schrei aus, denn vor seinen Augen erschien mit einemmal in feurigen Buchstaben das Wort
    Gallagher.
    Sigsbee H. Waddington drehte sich um sich selbst. Gallagher! Das war der Name. Nicht Mulcahy. Nicht Garrity. Auch nicht Murphy. Gallagher!
    Noch war es nicht zu spät. Wenn er sofort nach New York zurückkehrte und seine Nachforschungen wieder aufnahm, konnte alles gut werden. Und das Glück lieferte ihm überdies noch den denkbar besten Vorwand für eine sofortige Reise nach New York. In einer derartigen Krise war es unerläßlich, daß ein kalt- und klardenkender Mann den nächsten Zug nehme und das Polizeipräsidium verständige.
    »Ausgezeichnet!« sagte Mr. Waddington zu seiner unsterblichen Seele und humpelte steif, doch leichten Herzens zum Boudoir.
    Als er die Tür öffnete, drangen Stimmen an sein Ohr. Bei seinem Eintreten verstummten sie, und Mrs. Waddington sah verdrossen auf.
    »Wo bist du gewesen, das möchte ich wissen?« fragte sie.
    Sigsbee H. Waddington war darauf vorbereitet.
    »Ich habe einen langen Spaziergang gemacht. Einen sehr langen Spaziergang über Land. Ich war von dieser fürchterlichen Szene so empört, entsetzt und überrascht, daß ich im Haus zu ersticken glaubte. Deshalb habe ich einen langen Spaziergang gemacht. Ich bin eben zurückgekommen. Eine schreckliche Sache! Ferris sagt, es ist sehr peinlich.«
    Molly, deren Augen gerötet waren, sprach zum erstenmal.
    »Ich bin überzeugt davon, daß es sich aufklären wird.«
    »Ha!« sagte Mrs. Waddington. »Warum hat dein kostbarer Finch sich dann nicht herabgelassen, es aufzuklären?«
    »Er war so verblüfft.«
    »Das wundert mich nicht.«
    »Ich bin überzeugt, daß das Ganze ein Mißverständnis ist.«
    »Das ist es auch«, sagte Mr. Waddington und tätschelte seiner Tochter beruhigend die Hand. »Das Ganze

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