Der Schuss nebenan Kommissar Morry
gearbeitet haben, und zwar in England."
„Diese Leute haben eine skurrile Phantasie."
„Mag sein, aber..."
„Aber?"
„Sie tun leider nichts, um diese Verdächtigungen zu entkräften. Dabei wäre es unter Umständen so einfach! Sie brauchen mir nur die Wahrheit über den Anruf bei Rodrigez zu sagen.
„Ich hatte vor, mich mit ihm zu verabreden."
„Er kennt Sie?"
„Nein."
„Sie kannten ihn?"
„Dem Namen nach."
„Waren Sie ihm verpflichtet? Stimmt es, daß seine Leute in Ihrem Auftrag arbeiteten?"
„Das ist barer Nonsens."
„Also gut, Sie wollten ihn sprechen, und warum?"
„Wegen seiner Tochter."
„Wegen Janet?" fragte Flappan erstaunt.
„So ist es."
„Was ist mit dem Mädchen?"
„Das wollte ich gerade herausfinden."
„Etwas Kriminelles?"
„Hm, das kann man wohl sagen. Aber Janet hat damit nur indirekt etwas zu tun."
„Ist die Affäre durch Rodrigez Tod hinfällig geworden?"
„Keineswegs."
„Nützt Ihnen sein Tod etwas?"
„Im Gegenteil. Es wäre mir lieber gewesen, ihn persönlich zur Rede stellen zu können."
„Sie geben also zu, daß es zwischen ihm und Ihnen zu einer Auseinandersetzung gekommen wäre?"
„Das unterliegt keinem Zweifel."
„Wäre es ein . . . harter Streit geworden?" fragte Flappan zögernd.
„Ganz sicher."
„Kannten Sie die Macht und die Gefährlichkeit dieses Mannes?" wollte Flappan wissen.
„Ich habe davon gehört."
„Von wem?"
„Von einer Auskunftei."
Flappan machte eine Pause und fragte dann: „Ist Ihnen klar, daß wir diese Aussagen überprüfen können? Wann haben Sie der Auskunftei den Auftrag erteilt, Ihnen alles Wissenswerte über Rodrigez mitzuteilen, und welche Auskunftei war das?"
„Shapers in New York", erwiderte Lord Bramsey. „Den Auftrag gab ich vor etwa sechs Wochen."
„Hatten Sie damals schon die Absicht, nach New York zu reisen?"
„Nein."
„Kommen wir zurück zu Janet. Welche Beziehungen haben Sie zu dem Mädchen?"
„Sie wollen wissen, ob ich Sie kenne? Ich habe sie noch nicht einmal gesehen oder gesprochen." Lord Bramsey räusperte sich. „Heute morgen werde ich der jungen Dame einen Besuch abstatten."
„Darf man erfahren, worum es dabei geht?"
Lord Bramsey lächelte verhalten. „Geben Sie mir Zeit bis heute Abend, Inspektor. Ich hoffe, dann schon mehr zu wissen!"
Flappan zögerte, dann sagte er: „Meinetwegen. Ich bin einverstanden."
*
„Ah, Mr. Bramsey... pardon, Lord Bramsey!" sagte Hoogan, als er die Tür öffnete.
„Sie kennen mich?"
„Ja, ich kenne Sie", erwiderte der Sekretär.
„Darf ich erfahren, mit wem ich das Vergnügen habe?" erkundigte sich Bramsey.
„Bitte, treten Sie doch ein. Mein Name ist Hoogan, Charles Hoogan. Ich bin, das heißt ich war der Sekretär von Mr. Rodrigez. Sie wünschen, Sir?"
„Tja, an sich bin ich gekommen, um mit Janet Rodrigez zu sprechen, aber vielleicht wäre es nidit unzweckmäßig, wenn ich mich zunächst mit Ihnen unterhalte."
„Ich stehe selbstverständlich gern zu Ihrer Verfügung, obwohl ich nicht zu sagen vermag, wie lange. Sie wissen ja, welches Unglück diesem Hause widerfahren ist; im Augenblick ist schon wieder ein Polizeibeamter hier.
Er verhört gerade Kingsley, den Diener. Deshalb war ich genötigt, die Tür zu öffnen. Darf ich Sie bitten, hier einzutreten. Das ist das Arbeitszimmer.“
Lord Bramsey befand sich in einem großen, keineswegs pompös eingerichteten Raum. Alles war hier ganz auf Zweckmäßigkeit abgestimmt. Das ,Arbeitszimmer' war eigentlich nichts anderes als ein nüchterner Büroraum, mit Aktenregalen, Wandschränken, Schreibtischen und einem imponierend aussehenden Safe.
„Das war sein Reich", erklärte der Sekretär. „Hier hat Mr. Rodrigez mindestens acht bis zehn Stunden seines Tages verbracht. Es gibt Toren, die sich einbilden, er sei ein luxushungriger Lebemann gewesen, ein Erfolgreicher, der nur seinen Launen lebte. Alles Unsinn! Mr. Rodrigez hat sehr hart gearbeitet. Er hat sich sein Geld keineswegs ergaunert, wie leider vielfach behauptet wird."
„Die Welt ist schlecht", gab Lord Bramsey zu.
„Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen? Vielleicht hier, in der Besucherecke?"
„Vielen Dank." Lord Bramsey setzte sich in einen modernen, etwas unbequemen Armlehnstuhl, und der Sekretär nahm ihm gegenüber Platz. Zwischen ihnen stand ein runder Tisch.
„Darf ich Ihnen etwas anbieten?" erkundigte sich Hoogan zuvorkommend.
„Nein, danke, ich habe gerade gefrühstückt. Stimmt es, daß Sie den Mörder
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