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Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Titel: Der Schuss nebenan Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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als es die Konvention gestattete.
    „Sie wünschen mich zu sprechen?"
    „Ja", sagte Lord Bramsey, der sich ganz gegen seine sonstige Gewohnheit einen Ruck geben mußte, um sein Gleichgewicht wiederzufinden. „Darf ich mir zunächst die Frage erlauben, ob Sie mich kennen?"
    „Ja", erwiderte Janet. „Aus der Zeitung."
    Das Mädchen trug ein schwarzes Kostüm; sie sah ziemlich blaß aus. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie in einem weniger strengen Kleid wirken würde.
    „Das habe ich befürchtet."
    „Befürchtet?"
    Er lächelte schwach. „Man kann nicht behaupten, daß mich die Zeitungen mit großem Wohlwollen behandeln."
    „Ich gebe nicht viel auf das, was in den Zeitungen steht."
    „Aber trotzdem lesen Sie sie!"
    „Man muß auf dem laufenden sein. Wollen Sie nicht Platz nehmen, bitte?"
    „Vielen Dank." Sie setzten sich, beide ein wenig steif und befangen. Janet machte eine hilflose Handbewegung. „Ich weiß nicht einmal, wie ich Sie ansprechen soll. „Sagt man Lord? Oder Hoheit?"
    Er lächelte. „Ich schleppe meinen Titel stets ein wenig unlustig mit mir herum, weil ich weiß, daß er zuweilen anderen Leuten Kopfschmerzen bereitet. In England sagt man Mylord' zu mir, aber ich schwöre Ihnen, daß ich darauf nicht den geringsten Wert lege."
    „Sagen Sie das nur, um uns Amerikanern gegenüber mit Ihrer liberalen Einstellung zu kokettieren?"
    „Fühlen Sie sich denn so amerikanisch?" fragte er vorsichtig dagegen. Er spürte, daß die Beantwortung dieser Frage bereits den Schlüssel zu seinem weiteren Verhalten bildete.
    Janet legte nachdenklich den Kopf ein wenig zur Seite. In ihrem glatten, seidenweichen Haar fing sich der Widerschein der Morgensonne.
    Bramsey ertappte sich bei dem Gedanken, daß es schön sein müßte, mit den Fingerspitzen zärtlich über dieses Flaar zu streichen.
    „Amerikanisch?" fragte sie. „Ich glaube gar nicht, daß es so etwas gibt. Dieses Wörtchen kann sich doch nur auf gewisse Lebensgewohnheiten beziehen, die mit unserer Wirtschaftsstruktur Zusammenhängen. Der Mensch an sich ist weder amerikanisch noch englisch noch sonst irgend etwas. Er ist entweder gut oder böse, oder, was wohl häufiger der Fall sein dürfte, eine Mischung beider Eigenschaften!"
    „Wie war Ihr Vater?"
    „Ich nehme an, er war überwiegend böse", sagte sie ruhig.
    „Ich bin erstaunt, das aus Ihrem Mund zu hören. Haben Sie ihn nicht geliebt?"
    „Ich habe ihn selten zu Gesicht bekommen. Er war ein fanatischer Arbeiter. Ein Mann ohne Rücksichten, auch sich selbst gegenüber. Zu uns, zu seiner Familie, war er großzügig, sehr großzügig sogar, aber ich weiß natürlich, daß er sich mit dieser Großzügigkeit gleichsam freikaufen und entschuldigen wollte."
    „Entschuldigen, wofür?"
    Janet zuckte die Schultern. „Es wäre gerade von mir wenig fair, darüber zu sprechen. Ich bin seine Tochter. Ich habe in seinem Haus gelebt, sehr gut gelebt. Sie können von mir nicht erwarten, daß ich ihn verdamme. Nur so viel möchte ich sagen: wenn es stimmen sollte, daß er viele Jahre seines Lebens damit verbracht hat, auf illegale und sogar verbrecherische Weise Geld an sich zu bringen, so ist es gewiß ebenso richtig, daß er die letzten Jahre nichts anderes getan hat, als seriöse Geschäfte zu tätigen. Ich kann das nicht beweisen, aber ich bin davon überzeugt, daß es sich so und nicht anders verhält."
    „Vermutlich wird es stimmen, die Polizei hätte ihn sonst längst hinter Gittern gebracht."
    „Fast sollte man wünschen, das wäre ihr gelungen", sagte Janet bitter. „Dann wäre Papa noch am Leben!"
    „Quält Sie der Gedanke, nicht zu wissen, wer sein Mörder ist?"
    „Ja."
    „Sind Sie davon überzeugt, daß es der Polizei gelingen wird, den Täter bald zu fassen?"
    „überzeugt? Nein. Aber ich hoffe es."
    „Vielleicht sollte icih Ihnen sagen, daß die Polizei auch mich verdächtigt."
    „Sie?" wunderte sich Janet.
    „Ja. Man setzt voraus, daß ich nach Amerika reiste, um ein Alibi wegen des Mordes an meiner Verlobten und an meinen Eltern zu haben. Man folgert weiter, daß ich Ihren Vater damit beauftragte, diese schmutzige Arbeit zu erledigen. Anscheinend glaubt man, daß Mr. Rodrigez über eine vereinbarte Summe hinaus unbillige Forderungen an mich richtete, so daß ich mich genötigt sah, ihn umzubringen."
    „Das ist ja absurd!" entrüstete sich Janet.
    „Vielen Dank. Sie sind wirklich der erste Mensch auf amerikanischem Boden, der bereit ist, in mir keinen potentiellen Mörder zu

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