Der schwarze Dom
aufgewacht. Ich weiß es nicht. Alles, was ich weiß, ist, daß man Finger, den ich im Traum ins Wasser tauchte, noch immer weh tut. Er ist dunkelrot. Wo ist Claire? Wer ist sie?
Ich habe wieder geschlafen, glaube ich. Viel Zeit muß vergangen sein. Ich fühle mich viel schwächer. Vor ein paar Minuten hat Jim mit mir gesprochen, jetzt ist er aber wieder eingenickt. Ich habe niemanden, mit dem ich sprechen kann. Ich fühle mich so einsam.
Was machen Jim und ich hier? Ich weiß, daß wir hier sterben müssen, aber wie ist das mit uns geschehen? Ich habe jetzt eine Menge darüber nachgedacht. Das hätte ich lange vorher schon tun sollen. Wir waren Dummköpfe. Wir haben die Goldbarren gefunden und uns nie die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, wer sie gemacht hat oder woher Claire und Dan wußten, wo sie zu finden waren. Jim und ich hatten nur im Kopf, wie reich wir waren.
Das hier ist keine natürliche Höhle. Es kann keine sein. Der größte Teil besteht aus Mauern aus Stein und Lehm, aber es gibt auch Abschnitte, die gerade und glatt sind wie ein Tunnel. Die Stelle hier muß alt sein, älter als die Indianer. Vielleicht älter als die Menschen. Aber irgendjemand hat sie gebaut. Mir fällt ein, daß ich, als wir die Goldbarren in diesem Sackgassenstollen aufgelesen haben, Jim gegenüber eine Bemerkung gemacht habe, daß mich die Stelle an einen Altar erinnere. Jim lachte nur, aber unsere Partner warfen sich merkwürdige Blicke zu. Sie fanden das gar nicht so zum Lachen.
Sie haben mir nie gesagt, warum sie diese Stelle Valta genannt haben. Ich habe meine Meinung geändert. Ich will nicht, daß Dan und Claire zurückkommen.
Wir hätten niemals hierhin zurückkehren dürfen.
Jim ist tot. Es ist das Grauen. Ich bin aufgewacht, es ist noch nicht lange her, und habe ihn aufrecht neben mir sitzen sehen. Eine Hand hatte er auf meiner Schulter. Ich sprach ihn an, aber er gab keine Antwort. Dann habe ich unsere Lampe entzündet.
Ich glaube, ich muß mich übergeben. Seine Lippen, seine Zunge, sein ganzer Mund sind weggebrannt. Sein halbes Gesicht ist über sein Hemd geschmolzen. Es kann noch nicht lange her sein. Das Blut tropft noch heraus. Seine Augen sind auf. Ihrem Ausdruck nach zu schließen, wollte er wohl schreien, als er starb.
Ich weiß, das sie das mit ihm angerichtet hat. Ich weiß, sie hat ihm Gift zu trinken gegeben. Ich hätte Jim von meinem Alptraum erzählen müssen. Sie muß gekommen sein, als die Lampe aus war. Ich erinnere mich, daß sie und Dan immer wollten, daß wir die Lampen trugen. Ich glaube nicht, daß ihnen Feuer besonders zusagt.
Ich weiß, sie sind noch am Leben, irgend wo dort unten.
Sie war meine Freundin. Wir haben zusammen gearbeitet, zusammen gegessen. Wir haben sogar zusammen gefeiert. Sie und ihr Mann haben aber wohl anders gefeiert als Jim und ich. Sie ließen uns himmelhoch jauchzen mit allem Geld der Welt, und jetzt bringen sie uns um, hier in diesem schwarzen Loch.
Bin ich verrückt geworden? Eigentlich bin ich überzeugt davon, daß nicht. Ich fürchte aber, wenn eines Tages irgendjemand dieses Tagebuch findet, wird er das glauben. Es wird wahrscheinlich lange dauern. Man wird unsere blanken Knochen finden und sagen, daß die Zeit das Ihre mit unseren Überresten getan hat. Sie werden Jims Gesicht nicht so sehen, wie ich es jetzt sehen kann. Sie werden nicht wissen, daß es nicht Jahre gedauert hat, bis uns das Fleisch von den Knochen gefallen ist, sondern nur Minuten.
Ich bete, daß ich tot bin, bevor Claire mich zum Schwimmen mitnimmt.
Ich muß jetzt Schluß machen. Das Öl ist zu Ende. Und ich glaube, ich höre etwas. O Gott, hilf mir…
Es sind Schritte.
Sie kommen auf mich zu.
Das war Mark Sanders’ letzter Eintrag. Etwa ein Jahr später wurde sein Tagebuch neben ihm gefunden. Obwohl er die ganze Zeit unter der Erde gelegen hatte, wo es weder Nager noch wilde Tiere gab, war kein Fleisch mehr an seinen Knochen, und auch seine Kleider konnten nirgendwo gefunden werden. Als er gefunden wurde, lehnte er neben einem zweiten Skelett an einer Wand. Hände und Arme der beiden waren zu einer makabren Willkommensgeste geformt.
Wenn es Zeit und Umstände erlauben, folgt in dieser Zeitung ein weiterer Artikel über Claire und Daniel Stevens’ Goldmine. Zu dem Thema wird weiter recherchiert.
»Und?« sagte Tracie, als sie mit Lesen fertig waren.
»Interessant«, meinte Rick. »Ich hatte gerade mit dem Tagebuch angefangen, als ich in der Bücherei
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