Der schwarze Dom
über die Schulter. Paula krümmte sich noch immer vor Schmerzen. »Mir geht’s gut«, murmelte er. »Wie seid ihr hierhergekommen?«
»Wir sind hinter eurer Spur her«, antwortete sie. »Eine lange Geschichte. Weißt du, daß Joe hier ganz in der Nähe ums Leben gekommen ist?«
»Ja.«
»Was hat das zu bedeuten?«
»Ich weiß es nicht«, murmelte er.
»Aber wer sind diese Leute hier? Wie kann sich Davey so schnell bewegen und so stark sein?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er wieder.
»Sind sie Menschen?«
Er schaute sie an. Sie hatte die Taschenlampe auf der Platte abgelegt um die Hände frei zu haben. Das auf den Boden fallende Licht warf Schatten auf ihr Gesicht. Und doch schien es da etwas in ihren Augen zu geben, daß der Düsterkeit des Raumes widerstand, eine Spur von Sonnenschein, den sie in seiner Vorstellung immer an sich gehabt hatte.
Er hätte sein Leben dafür gegeben, sie weit weg und in Sicherheit zu wissen.
Jedenfalls redete er sich das ein.
»Nein«, meinte er. »Sie können unmöglich Menschen sein.«
»Was haben sie mit uns vor?«
Sie flehte ihn um einen Hoffnungsfunken an. Das war auch das mindeste, was er ihr geben konnte in Anbetracht seines feigen Fehlers, die Armbanduhr zurückzulassen. Doch alles, was er ihr anzubieten hatte, war eine Lüge. »Wenn sie uns umbringen wollten, hätten sie das schon längst getan«, sagte er, obwohl er nicht daran glaubte.
»Ja.«
»Tracie? Du hast was davon erzählt, daß du wüßtest, was für Verbrechen Davey begangen hat?«
»Ich bin in das lila Haus eingebrochen. Drinnen war eine Sammlung von Zeitungsartikeln über grauenhafte Mordfälle. Ich bin überzeugt, er hat sie alle begangen.«
»Warum bist du uns dann hierher gefolgt?« wollte er wissen.
»Um dich zu befreien.«
»Bitte, was?«
Sie versuchte sich ein Lächeln abzuringen, schaffte es aber nicht ganz und senkte statt dessen den Kopf. Ihre Augen wurden feucht. »Ich mußte einfach kommen, Carl.«
Davey hatte gesagt, der Boden sei nicht so hart, wie er aussehe, und an der Stelle, an der er sie arbeiten ließ, traf das definitiv zu. Tatsächlich schien die Erde vor kurzem abgetragen und dann wieder aufgeschüttet worden zu sein. Sie war nicht nur uneben, sondern auch weich. Nach ein paar Minuten legten sie ihr Werkzeug beiseite und machten mit bloßen Händen weiter. Der Erdboden war jetzt körnig und irgendwie klebrig. Nach kurzer Zeit schon hatten sie auf beiden Seiten der Platte beträchtliche Haufen aufgeschichtet.
In knapp einem Meter Tiefe stieß Tracie auf etwas. Ein überraschter Laut kam über ihre Lippen, und sofort hastete Davey herbei. Cessy stand auf, schlug aber eher einen gemächlichen Schritt ein; der Hund folgte ihr. Paula hatte sich mittlerweile wieder aufgerichtet und atmete wieder normal, es war allerdings offensichtlich, daß ihr Finger ärztliche Hilfe brauchte. Davey winkte Paula und Rick mit dem Gewehrlauf zu sich. Widerwillig kamen sie näher, und die ganze Gruppe stand um das Loch herum.
»Weiß jemand von euch, was hier begraben liegt?« fragte Davey.
»Wenn wir richtig raten«, fragte Rick, »kriegen wir dann immer noch einen kostenlosen Hawaii-Urlaub?«
»Ihr kriegt etwas, das noch viel wertvoller ist«, sagte Davey.
»Was denn?« wollte Rick wissen.
»Eure Freiheit«, sagte Davey.
»Du läßt uns gehen?« fragte Tracie.
»Ich verspreche es«, sagte Davey.
»Das glaube ich dir nicht«, entgegnete Tracie.
»Solltest du aber«, gab Davey zurück.
»Und warum?« fragte Tracie.
»Ihr habt gar keine Wahl«, erklärte Davey.
Cessy stellte sich neben Tracie. Seit sie hier in diesem Raum war, hatte sich Cessy verändert. Sie war ernster, und es ging etwas von ihr aus, das Carl nur als irgendwie machtvoll beschreiben konnte.
»Rate mal«, sagte Cessy zu Tracie.
Tracie zögerte. »Eine Leiche.«
»Nah dran«, kommentierte Davey. »Aber du mußt schon noch genauer sein. Ich geb’ dir noch eine Chance.«
Tracie schaute Paula an. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn. »Du spielst doch nur mit uns«, sagte sie zu Davey.
»Das weißt du erst dann, wenn du es versucht hast«, meinte Davey.
»Du läßt uns alle gehen?«
»Vielleicht.«
»Schwör es«, sagte Tracie.
Davey zuckte mit den Schultern. »Ich schwöre.«
Tracie schaute hoch zur schwarzen Kuppel und wieder hinunter in das schwarze Loch im Boden. »Joes Leiche«, flüsterte sie.
»Nah dran«, sagte Davey.
»Hab’ ich recht?« fragte Tracie.
Davey lächelte. »Da hängt viel mehr dran
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