Der schwarze Fürst der Liebe
das übernahm. Er selbst war zu aufgebracht. Er nickte langsam.
»Und zieh endlich die verdammte Rüstung aus. Die bringt dich noch um. Du hast ja die Schlacht fast allein gewonnen in dem Ding! Außerdem«, fügte er leiser hinzu, »blutest du.«
Bartel schaute an sich hinab, folgte Rudgers Blick. Es hatte ihn am rechten Bein gewischt. Seine Hose war vom Blut durchweicht. Die Kraft der Rüstung floss übermächtig durch seinen Leib, hatte jeden seiner Muskeln in Stein verwandelt und ihn völlig schmerzlos gemacht. Sie verursachte ein starkes Ziehen in den Kieferknochen, das ihn zwang, die Zähne zusammenzubeißen, während sich sein Gehirn anfühlte, wie von einem kristallklaren, dröhnenden Glockenton durchdrungen.
»Wenn ich sie jetzt ablege, kippe ich um«, keuchte er. »Und was bitteschön, was deiner Meinung nach habe ich gewonnen?« Er knirschte mit den Zähnen und bückte sich nach einer abgeschlagenen Hand, die neben dem toten Waffenmeister lag. Er schwenkte die Hand vor Rudgers Gesicht und schrie. »Was, zum Teufel, haben wir gewonnen? Hier haben eben tapfere und unbescholtene Männer ihr Leben verloren – und Freunde!« Wut und Ungeduld die richtigen Worte zu finden, beflügelten seine Zunge. »Und warum? Weil ein paar Narren anderen hirnlos Wasser abgegraben haben – und weil zwei Fürsten unfähig sind miteinander zu reden!« Er schmiss die Hand angeekelt von sich. Sie fiel zwischen die Leichen und Körperteile auf dem Schlachtfeld. Bartel brach in die Knie. Er zitterte am ganzen Leib, hatte das Gefühl kotzen zu müssen.
»Du musst aus dieser verfluchten Rüstung raus«, brüllte Rudger. Er zerrte an den Bändern, die sie verschlossen.
Bartel schüttelte seine Hand ab, erhob sich schleppend und hinkte zu dem Pferd – hielt sich an dessen Sattel fest und begann die stinkende Rüstung zu lösen. Sie glitt zu Boden – wie etwas Lebendiges – eine Art verdammte, graue Schnecke.
Rudger betrachtete sie angewidert. »Los komm, wir hauen hier ab!«
Es war erst kurz nach Mittag und die Sonne stand hoch am Himmel. Es hatte nicht lange gedauert so viele Leben auszulöschen. Bartel bückte sich ächzend und hob die Stinkrüstung auf. Rudger war aufgesessen und zerrte ihn hinter sich auf das tänzelnde Tier. Die Rüstung unter dem Arm klammerte er sich an seinen Freund. Der bahnte sich einen Weg durch das Schlachtfeld und ritt zügig gen Norden.
Kapitel 36 - Zahn um Zahn
Rudger saß in der großen Holzbadewanne in der luxuriösen Badestube des Schlosses. Wann hatte er sich das letzte Mal derartig zerschlagen gefühlt? Seine Hände zitterten, als er anfing, sich einzuseifen. Den Diener, der ihm zur Hand gehen wollte, hatte er fortgeschickt. Niemand sollte seine Schwäche sehen.
Er ließ sich wieder ins warme, seifige Wasser sinken. Er fühlte sich als hätte er einen Stein in der Brust und schluckte, um das Gefühl zu verdrängen. Rudger dachte an die zahlreichen Schlachten, die er geschlagen hatte. Bartel hatte recht – die Gründe, warum diese Scharmützel stattfanden, waren lächerlich. Wie viele Freunde von ihm waren auf der Strecke geblieben? Unzählige. Der wunderschöne Volmar war nur einer von ihnen. Rudgers Herz krampfte sich zusammen. Er merkte, wie ihm die Tränen die Kehle hochstiegen und in seinen Augen mündeten. Seine nassen Hände zitterten, als er versuchte, sie mit dem Handrücken abzustreifen.
Ich werden langsam zu alt für so etwas, dachte er und betrachtete seine bebenden Hände. Er war achtundzwanzig und fühlte sich wie ein Greis. – Die Erfahrungen seines Lebens erschienen ihm als eine ungeheure Last.
Seufzend trocknete er sich das Gesicht mit dem weißen Tuch ab, das der Diener an den Wannenrand gelegt hatte und stieg aus dem Wasser.
Rudger schlang das weiche Laken um seine Hüften und trat an das von Wasserdampf beschlagene Fenster der Badestube. Er stierte in die Dunkelheit.
Nachdem er Bartel in Engellins Obhut übergeben hatte, war er sofort zum Schloss geritten, um dem Fürsten Bericht zu erstatten. Mordersberg war in seinem Arbeitszimmer auf und ab geschritten und hatte sich den Hergang der Schlacht mit steinernem Gesicht angehört. Nachdem Rudger erschöpft verstummt war, hatte der Fürst seinen Verwalter, den Rittmeister und seine beiden Diener rufen lassen.
Mordersberg hatte dem Verwalter mitgeteilt, dass der Waffenmeister tot sei und er dafür Sorge zu tragen habe, dass die Söldner ausgezahlt und die Familien der gefallenen Bauern entschädigt wurden. Des
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