Der schwarze Fürst der Liebe
versorgen.
Sie ging zu seinen Waffen, die Rudger achtlos auf den Boden hatte fallenlassen, bevor er ihr geholfen hatte, Bartel zu entkleiden. Sie zog das schärfste Messer aus dem Brusthalfter und schabte damit das schwarze Haar rund um die Wunde ab, bemüht es nicht mit dem offenen Fleisch in Berührung kommen zu lassen. Dann nahm sie die Nadel und fing an, die Fleischwunde zu verschließen. Bartel rührte sich nicht – lag da wie tot.
Einen Moment fuhr Engellin der Schreck in die Glieder. Voller Panik fühlte sie nach seinem Puls. Nein, das Blut pochte, der Brustkorb hob und senkte sich sanft. Er lebte. War sie am Durchdrehen? Sie riss sich zusammen, um seine Wunde gewohnt gekonnt zu Ende zu versorgen.
Sie blickte auf ihn nieder. Warme Zärtlichkeit füllte ihre gesamte Brust aus. Immerhin, ihn hatte sie mit der Rüstung beschützen können. Er war wieder da. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihn zu verlieren. Er gehörte zu ihr und so würde es zu allen Zeiten sein.
Engellin ging sich die blutigen Hände sorgfältig waschen. Sie fragte sich, wo Maus steckte. Sonst war der Mann immer so hilfsbereit. Er hatte Bartel kurz gesehen, als er ankam, und von Volmars Tod erfahren. Daraufhin war er sofort wortlos in seiner Hütte verschwunden. Im Grunde war sie ihm für seine Feinfühligkeit dankbar. Sie wollte mit dem verletzten Bartel allein sein.
Aber nun machte sie sich Sorgen um ihn. Bartel würde die nächsten Stunden schlafen – also verließ sie das Haus und klopfte leise an seine Tür. Maus saß vor der erkalteten Feuerstelle, den runden Rücken abgewandt. Sie näherte sich vorsichtig, berührte seine Schulter. Maus fuhr herum. Sein dünnes Gesicht war faltig und vom Gram verzerrt. »Hättest du Volmar nicht auch so eine Rüstung machen können?«, stieß er hervor.
Engellin ging langsam vor ihm in die Hocke und streifte sacht seine Wange. »Wir können nur für ihn beten, Maus«, antwortete sie leise. Sie hätte ihn an ihre Brust drücken mögen, aber wusste, dass das nicht möglich war. Er liebte sie und das würde alles nur noch verschlimmern. Also streichelte sie sein verfilztes Haar.
»Maus«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Dein Haar ist wahrlich grauenvoll!«
Er schluckte, nahm plötzlich wahr, dass es ja seine Göttin war, die da vor ihm kniete. Er nickte. »Ich weiß«, flüsterte er und senkte den Kopf.
Engellin erhob sich. »Komm nachher zu mir und wir trinken einen Tee zusammen, in Ordnung?« Er bejahte erneut.
Engellin verließ das Blockhaus. Maus wird es verschmerzen, dachte sie. Wir alle werden darüber hinwegkommen – mit der Zeit. Sie beschloss die verbliebenen Tagesstunden dafür zu nutzen Volmars Seele ein Geleit zu geben. Die Tage waren lang, die Luft sommerlich warm, die Vögel zwitscherten und Max und Fox spielten vor den Häusern. Die Muskeln der großen, schwarzen Körper angespannt, umrundeten sie sich mit heraushängenden Zungen, sprangen spielerisch aufeinander zu, rauften sich liebevoll in Pfoten, Ohren und Schwänzen verbissen, rangen auf dem staubigen Boden miteinander und rannten dann wieder übermütig im Kreis. Sie stand und sah den spielenden Hunden eine Weile zu.
Mit einem Handzeichen befahl sie den Tieren am Hof zu bleiben. Sie wollte allein sein.
Engellin schritt auf den Waldrand zu und folgte einem schmalen Pfad bis zu einer kleinen Lichtung, die sich im sinkenden Sonnenlicht vor ihr ausbreitete. Die Sonne schickte ihre rotglühenden Strahlen auf das lange, wehende Gras in deren Mitte und gab den vielen Wildblumen noch ein wenig der schwindenden Tageswärme. Bienen erledigten ihr brummendes, letztes Tagwerk zwischen den im Wind schwankenden Blüten – Mäuse und Grillen bewegten sich raschelnd in den Tiefen der Wiese.
Engellin sog den Duft der kleinen Lichtung auf und schritt zu der mächtigen Eiche am Rande, die sich kraftvoll gegen die sie umgebenden Tannen behauptet hatte. Der dicke, braun-borkige Stamm krallte sich mit kräftigen Wurzeln ins Erdreich und erinnerte sie an Bartels starke Arme. Kurz bedauerte Engellin sich nicht noch mit ihm vereinigt und so von seiner Kraft geholt zu haben, bevor sie kam, um von Volmar Abschied zu nehmen, aber Bartel war zu geschwächt und musste ruhen.
Der Baum rauschte ein Willkommen. Engellin lächelte, als sie zu seinem dicken Stamm schritt und ihn liebevoll umarmte. Sie fühlte ihre Kraft aus ihrer Brust strömen, durch die Arme und Hände, dachte an Volmar, an das, was ihn ausgemacht hatte. Sie flutete
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