Der schwarze Magier
Stille. Ruperts Pferd schnaubte wieder angstvoll. Dann plötzlich schien der Himmel zu bersten. Aus dem engen Felstal rollte eine Staublawine, am Boden riesige Felsbrocken, einige so groß wie ein Pferd. Und dahinter schoss eine gewaltige Wasserwand, hoch wie ein Kirchturm, hervor. Djinn sprang mit verzweifelten Kräften aus dem Tal heraus und jagte über die schmale Küstenebene. Hinter ihnen ergoss sich brüllend die Wasserwalze in das türkisfarbene Meer. Es schäumte, die Gischt spritzte bis zum Himmel, Steine, Schlamm, gelbes Wasser vermengten sich mit dem klaren Türkis zu einer brodelnden Masse. Alles, was sich noch vor wenigen Augenblicken am Ausgang des Kidron-Tales befunden hatte, war verschwunden, hinweggeschwemmt von der Gewalt dieser Wassermassen. Mustafa, die Pferde, das Gepäck – alles war innerhalb eines grausigen Momentes zwischen diesem Höllenauswurf zermalmt und fortgerissen worden.
Mit zitternden Händen zügelte Rupert sein Pferd und wandte sich um. Der Untergang der Welt konnte nicht schrecklicher sein. Das Grollen verstummte langsam, die Sturzflut verringerte sich zu einem Rinnsal, immer noch gelb und trüb, aber beraubt seiner höllischen Kraft.
Djinn beruhigte sich nur schwer, er blähte die Nüstern, hielt den Kopf auf seinem wie eine Bogensehne gespannten Hals hoch erhoben. Um seine dunklen Augen waren weiße Ringe zu sehen. Leise sprach Rupert auf Djinn ein. Er ließ seine Augen über das aufgewühlte Meer schweifen, doch weder von dem Stallburschen noch von den Pferden war etwas zu sehen. Die Wüste hatte ihre Opfer gefordert. Es war eine Ironie des Schicksals, dass es ausgerechnet durch eine gewaltige Wasserflut geschah.
Rupert besaß nur noch Djinn und sein weniges persönliches Gepäck hinter seinem Sattel. Das Schlimmste jedoch war, dass lediglich eine kleine Wasserflasche aus Ziegenleder an seinem Sattel hing. Er musste dringend eine Oase finden!
Er lenkte Djinn zum Strand und ritt am Rande des Meeres nach Süden. Eintönig zog sich das gewaltige Felsmassiv dahin, das schroff zur schmalen Küstenebene abfiel. Rupert wusste nicht, wo er Emir Rasul Suleiman finden konnte. So musste er darauf vertrauen, dass der Emir ihn finden würde. Und er war sich dessen sicher.
Ähnlich wie das Kidron-Tal mündeten weitere sehr enge Schluchten aus dem Wüstengebirge in die Küstenebene. Auch sie führten Wasser, wenn auch nicht so gewaltig. Doch es war schmutzig und ungenießbar.
Fast schon hatte Rupert die Hoffnung aufgegeben. Die Nacht senkte sich nach kurzer Dämmerung über ihn, doch er konnte und wollte nicht lagern. Er trieb Djinn weiter. Das kleine, zartgliedrige Pferd lief Meile um Meile, mit geblähten Nüstern und rhythmischen Bewegungen. Und plötzlich hoben sich gegen den sternenklaren Himmel die kaum sichtbaren Silhouetten von Palmen ab. Er hatte die Oase Ein-Gedi erreicht!
Obwohl Rupert einen halben Tag in der Oase verweilte und Djinn seine verdiente Ruhepause gönnte, war von Emir Rasul weit und breit nichts zu sehen. Gegen Mittag setzte er seinen Ritt nach Süden fort.
Die Landschaft blieb gleichförmig und eintönig. Zu seiner Rechten zog sich das goldgelbe Wüstenmassiv hin, links erstreckte sich das türkisfarbene Meer in beängstigender Stille, dahinter lagen im Dunst die Berge der transjordanischen Wüste. Vor ihm lag der flache Küstenstreifen, ausgedörrt und staubig.
Einige Male gewahrte er Bewegungen in den Berghängen, doch es waren nur Steinböcke, die halsbrecherisch auf den Felsen kletterten. Einmal schreckte er einen Klippschliefer auf, der vor Djinns Hufen davonhuschte.
Die Sonne senkte sich hinter das Wüstengebirge und färbte es kupferrot. Die Gipfel der Hügel erglühten in einem fast unwirklichen Schein. Lange Schatten krochen vom Fuß der Berge und streckten ihre Arme nach dem einsamen Reiter am Rande des still ruhenden türkisfarbenen Meeres aus.
Rupert führte sein Pferd hinter einen der stacheligen Büsche mit dem graugrünen Laub, wo es sofort anfing, an den staubigen Blättern zu zupfen. Er ging zurück zum Ufer. Lange starrte er aufs Wasser hinaus, als könne er dort den leblosen Körper von Mustafa entdecken. Er fühlte sich unruhig, weil er das Geschehen nicht vorhergesehen hatte. Es musste jenseits der Berge heftig geregnet haben. Von den Hängen Jerusalems suchte sich das Wasser seinen Weg über den felsigen Boden durch die engen Schluchten. Doch mit einer derartigen Naturgewalt hatte Rupert nicht gerechnet. Das Land zeigte sich
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