Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Magier

Der schwarze Magier

Titel: Der schwarze Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
Vom Netzwerk:
hoch. »Wer bist du, Emir Rasul, dass du dir anmaßt, über mein Leben zu entscheiden? Wie gut kennst du die Worte des Propheten, wie gut kennst du den Koran? Wer eine Seele ermordet, soll sein wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat. Und wer einen am Leben erhält, soll sein wie einer, der die ganze Menschheit am Leben erhält. Fünfte Sure, Vers fünfunddreißig. Und Vers vierundvierzig sagt: Weißt du nicht, dass Allahs das Reich der Himmel und der Erde ist? Er straft, wen er will, und verzeiht, wem er will, und Allah hat Macht über alle Dinge. Du bist nur ein Mensch, wieso maßt du dir an zu strafen, was nur Allah gebührt?«
    Der Emir erblasste. »Beim Barte des Propheten, willst du mich mit meinen eigenen Waffen schlagen? Werft ihn in die große Zisterne. Soll Allah über ihn richten!«
     
     
    Hoch wie ein Kirchenschiff wölbte sich über Rupert die Decke der riesigen leeren Zisterne, in die ihn der Emir hatte werfen lassen. Es gab kein Entrinnen. Durch ein Loch hoch oben in der Wand fiel ein Sonnenstrahl. Obwohl es Winter war, brannte die Sonne mit unverminderter Kraft. Ein sanfter Wind, der die Westseite des Felsplateaus umstrich, milderte die Wärme, die sich in der Zisterne anstaute. Doch in den Nächten wurde es empfindlich kühl. Einmal täglich warfen ihm die Wächter Brot, getrocknete Datteln und einen kleinen Schlauch Wasser durch die Öffnung. Der Wind trüg ihm die Stimmen vom Plateau zu, er hörte die Männer beten, lachen, fluchen, die Befehle des Emirs und seiner Offiziere, die Gespräche.
    Ein drückender und deutlicher Traum beunruhigte Rupert. Durch die Schwärze der Nacht sah Rupert ein Schiff, das sich vom Ufer entfernte. Nur wenige Mann Besatzung befanden sich darauf. Einer der Männer drehte sich um, es war König Richard. Sein Blick war traurig, leer. Eine blutende Wunde zog sich über seine Stirn – das Mal des Verlierers. Rupert wollte eine Hand nach ihm ausstrecken und er wusste, dass Richard es erwartete. Doch er war wie gelähmt, starrte auf den im Nebel liegenden Horizont. Der Wind blähte die Segel, das Boot durchpflügte die Wellen. Doch immer, wenn es in einem Hafen vor Anker gehen wollte, standen Männer mit Speeren und Schwertern am Ufer und ließen ihn nicht an Land. Irgendwo hinter dem Horizont gab es einen undurchdringlichen Wald, eine düstere Burg, einen schwarzen Felsen. Und es gab ein Verlies. Eine Falle! Bleibt hier!, wollte Rupert schreien, doch seine Kehle blieb stumm. Er sah es, er sah das Verderben, in das Richard hineinfuhr.
    Schweißgebadet erwachte er mitten in der Nacht und suchte nach dem Licht der Sterne in der Öffnung des Felsens. Richard war in Gefahr und Rupert spürte diese Gefahr körperlich. Verzweifelt trommelte er gegen die Wände der Zisterne, doch sie blieben hart und unerschütterlich.
    Tage und Wochen vergingen, ohne dass sich an seinem Schicksal etwas geändert hätte. Rupert zählte die Wechsel der Monde nicht mehr. Wieder und wieder suchten ihn schreckliche Träume heim. Er sah Richard, gefangen in einem finsteren Verlies, Wasser rann von den Wänden des Kerkers. Er sah lachende Gesichter, fröhliche Menschen, die mit dem Finger auf den in Ketten geschlagenen englischen König zeigten. Dann wieder schob sich eine andere Gestalt in seine Vision, ein kranker Mann, der sich in Fieberkrämpfen wand. Saladin! Er sah Felsen zerbrechen, der Boden tat sich auf, das Land teilte sich. Es donnerte und grollte, am Himmel türmten sich graue Wolken, die sich plötzlich in Wasserfluten verwandelten. Rupert, wo bist du?, hörte er eine verzweifelte Stimme. Warum hast du mich verlassen? Rupert presste die Hände gegen seine Schläfen und erwachte aus diesem Traum. Der Wind heulte um die Felsen.
    Etwas ging da draußen vor und er war hier gefangen in dieser verfluchten Festung, die gleich dem Horst eines Adlers unerreichbar und uneinnehmbar auf dem Felsen klebte. Zwar hatte Rupert sein Leben gerettet, aber der Emir überließ es tatsächlich Allah, wann dieser seinem Gefangenen das Lebenslicht ausblies.
    Auf der Festung wurde es unruhig. »Ein Bote, ein Bote!«, rief die Wache. »Lasst mich zum Emir!« Er hörte hastige Schritte, Rufe, Wortfetzen. »Der Sultan ist tot! Der Sultan ist tot!« Er vernahm das Trappeln von Pferdehufen, Schreie. Dann war Stille.
    Schon den zweiten Tag hatte sein Wärter ihm weder Wasser noch Nahrung gebracht. Rupert war schwach, die lange Kerkerhaft hatte an seinen Kräften gezehrt. Am schlimmsten war das Defizit an

Weitere Kostenlose Bücher