Der schwarze Magier
Der Friedensvertrag zwischen den christlichen Kreuzfahrern und den Muselmanen hatte zu einem deutlichen Aufschwung des Handels geführt. Die Küstenstädte von Tyrus bis hinunter nach Jaffa gehörten nun zum christlichen Königreich, die Abendländer durften alle heiligen Stätten besuchen, ohne Zölle und Steuern zu zahlen. Zwar war Askalon verloren, aber das konnte das neu erstarkende Königreich verschmerzen. Mit Jaffa, Akkon und Tyrus besaß es genügend Seehäfen für die Verbindung nach Europa.
Rupert schlenderte durch das venezianische Viertel, das sich direkt am Hafen befand. Dahinter lag das genuesische Viertel, bevor er zum Hospital der Johanniter gelangte. Dort hatte er Quartier bezogen, sein Pferd untergebracht und eine warme Mahlzeit bekommen. Er fühlte sich nicht wohl. Seit einigen Tagen schüttelte ihn das Fieber, befiel ihn Schwäche. Er führte es auf seine Gefangenschaft zurück. Auch ein Besuch in einem Badehaus befreite ihn nicht von seinem Unwohlsein. Doch die meiste Sorge bereitete ihm, dass er kein einziges englisches Schiff entdecken konnte. Was war geschehen?
Nach einer kurzen Rast streifte er wieder durch die Stadt. Vor dem Haus eines jüdischen Geldverleihers kam ihm der Zufall zu Hilfe. Ein gut gekleideter Mann eilte aus dem Tor heraus, dessen Gestalt Rupert wohl bekannt war. Es war Onfroy von Toron.
»Gütiger Himmel, de Cazeville, was treibt Euch hierher?«, fragte er erschrocken, als er Rupert gegenüberstand. »Ihr seht blass und krank aus. Steht Ihr nicht mehr in sarazenischen Diensten?«
»Wo ist Richard?«, fragte er statt einer Antwort. Onfroys hübsches Gesicht blickte um eine Spur mitleidiger.
»Richard? Wo seid Ihr im letzten halben Jahr gewesen? Richard ist bereits im Oktober des vergangenen Jahres nach Europa zurückgekehrt. Und dort…«, er stockte, »… geriet er in Gefangenschaft.«
Rupert wurde noch blasser, kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Onfroy hielt ihn an den Schultern fest. »Um Gottes willen, de Cazeville, Ihr seid krank. Begleitet mich in mein Quartier, damit Ihr Euch ausruhen könnt.«
»Ich habe ein Quartier bei den Johannitern im Hospital. Es ist nur eine vorübergehende Schwäche. Ich war auch gefangen, in der Wüste am Salzigen Meer. Es ist mir nicht sonderlich bekommen.«
»Dann seid wenigstens für einige Stunden mein Gast und erfrischt Euch. Morgen kehre ich zurück zu meiner Mutter auf meinen Landsitz bei Tyrus.« Er lächelte entschuldigend. »Ich bin hier geboren, es ist mein Land. Was soll ich in Europa? Wenn der Friede anhält, kann ich hier in Ruhe leben. Für fünf Jahre ist er ja besiegelt worden.« Er blickte Rupert fragend an. »Und was habt Ihr vor?«
Rupert wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Obwohl es nicht sehr warm war und vom Meer her eine kühle Brise wehte, wurde ihm heiß und übel. »Ich weiß es nicht. Ich war ein Vertrauter des Sultans, aber nach seinem Tod gibt es Machtkämpfe unter seinen Söhnen und seinem Bruder. Ich will nicht dazwischen geraten.«
Onfroy nickte verstehend. »Da tut Ihr recht dran. Schnell spürt man einen sarazenischen Säbel zwischen Kopf und Schultern, wenn man nicht zufällig auf der richtigen Seite steht. Und da Ihr Euch sowieso nicht gern auf eine Seite stellt…« Er grinste und ließ Rupert eine kühle Limonade reichen. »Ihr hättet Euch nicht von Richard trennen sollen«, sagte er mit leisem Vorwurf.
»Vielleicht. Aber er hat mich zu sehr eingeengt, zu sehr vereinnahmt.« Stöhnend lehnte er sich in die orientalischen Polster zurück, mit denen Onfroys luxuriöse Herberge ausgestattet war.
»Ja, so ist Richard, er beansprucht einen mit Haut und Haaren.« Wieder lächelte er versonnen. Es schien ihm zu gefallen, über den König zu plaudern. »Und nun hat es den guten Richard selbst erwischt. Er fiel dem deutschen Kaiser in die Hände.«
Rupert hatte sich von seinem kurzen Schwächeanfall erholt und horchte auf. »Wie das?«
Onfroy zeigte mit dem Zeigefinger nach oben zur Decke. »Die späte Rache für Richards Unbeherrschtheit. Erinnert Ihr Euch noch, als wir Akkon eroberten? Er überwarf sich mit Herzog Leopold von Babenberg, indem er ihm einen Beuteanteil streitig machte. Ihr wisst, die leidige Sache mit Leopolds Flagge. Na ja, als Richard über Land nach England zurückkehren wollte, fiel er dem Herzog in die Hände. Der war natürlich hocherfreut über diesen unerwarteten Fang.«
»Kann ich mir vorstellen«, murmelte Rupert. »Aber wieso ist er nicht mit seiner Flotte
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