Der schwarze Magier
in Maßen war erlaubt. Sie schliefen auf gestopften Matratzen, die Ritter besaßen Knappen und Diener. William Beaumont war ein Knappe von Raffael de Torremolinos, wenn man das auch nicht gleich auf den ersten Blick sah. Beide arbeiteten Hand in Hand, wenn es um die Krankenpflege ging, und sie spendeten Kranken und Sterbenden Trost mit ihren Gebeten. Rupert konnte den hoch gewachsenen Raffael aber auch beim Waffentraining beobachten und ahnte, warum die weltlichen Fürsten nicht ohne den Beistand der Kreuzritter in die Schlachten zogen. Und er hatte plötzlich Verständnis dafür, warum viele junge Männer geradezu versessen darauf waren, Mitglieder der Johanniter oder Templer zu werden. Raufen im Dienste des Herren, eine kostenlose Abenteuerreise in den Orient, Verpflegung, Unterkunft, Ausrüstung gratis, eine erstklassige Ausbildung zum gefürchteten Schwertkämpfer, Kranken- und Altersversorgung inklusive – ein verlockendes Angebot für verarmte Ritter. Und auch das Gelöbnis zur Armut war kein eigentliches Opfer. Die Orden waren reich. Adelige und Bürger in ganz Europa spendeten für die gute Sache und ihr eigenes Seelenheil und vermachtem den Orden Ländereien, Geld, Häuser und Grundstücke. So war das Leben im Orden durchaus angenehm, ab und zu gab es einen Kampf, die Zeiten dazwischen wurden mit der Betreuung der Pilger und der Pflege Kranker überbrückt. Rupert wusste, dass Richard engen Kontakt zu den Templern pflegte, wenngleich er dahinter handfeste finanzielle Interessen vermutete. Die Orden waren eine eigene Wirtschaftsmacht. Von staatlichen und kirchlichen Abgaben befreit, lebten die Brüder autark in ihren Besitzungen, verfügten über Badehäuser, Getreidemühlen, Seifensiedereien, Weingüter, Landwirtschaften, Hafenanlagen und sogar über eine Flotte. Geschickte Immobiliengeschäfte und umtriebiger Handel, Geldverleih und ein einzigartiges Bankwesen verliehen ihnen eine beispiellose Macht. Das Armutsgebot galt ja nur für die einzelnen Ritter, nicht aber für den Orden selbst. Die Lagerhäuser waren angefüllt mit Stoffen, Lebensmitteln, Waffen, Rüstungen, in den Ställen standen edle Pferde und die Küchen bereiteten außerordentlich gute und schmackhafte Mahlzeiten zu. Nur ihrem Großmeister und dem Papst unterstellt, bestimmten sie die Politik der Kreuzfahrerstaaten, je nachdem, welcher Seite sie ihre Gunst vergaben.
Ebenso eindrucksvoll wie die Organisation dieser Orden waren die Bauwerke, in denen sie lebten. Hatte das beeindruckende Johanniterhospital in Akkon schon Ruperts Bewunderung erregt, so übertraf der gewaltige Krak de Chevaliers jegliche Vorstellung. Die ausgebaute ehemalige muslimische Festung wurde gleichsam zum Symbol einer uneinnehmbaren Bastion der Kreuzfahrer und des Christentums.
In ruhelosen Nächten streifte Rupert durch die gigantische Anlage. Es gab ein Dienstsystem der Ordensbrüder, das peinlich genau eingehalten wurde. So wechselten die Dienste, Wach- und Verteidigungsdienst, Krankenpflege, Waffendienst, Kochen. Die niederen Dienste in Küche und Lager oblagen den bürgerlichen Ordensbrüdern, die Ritter waren vor allem mit Verwaltungsaufgaben, Organisation und dem Betreiben von Geschäften betraut. Es gab auch rein geistige Kaplane, die von allen anderen Pflichten befreit waren. Nur wenn es zu den Waffen ging, waren alle gleichgestellt. Und es vereinte sie dabei ein seltsames Band der Brüderlichkeit, das ihnen eine gefährliche Schlagkraft verlieh.
Der gelobte Gehorsam wurde mittels eines ordensinternen Strafgesetzbuches durchgesetzt. Vergehen wurden je nach Schwere mit Demütigung, Arrest, Nahrungsentzug, Prügelstrafe oder gar Ausschluss bestraft. Die Ordensmeister verfuhren damit nicht gerade zimperlich, erfuhr Rupert von Raffael.
In der Apotheke füllte Rupert seine Phiole mit Chinin wieder auf. Für den Notfall trug er das kleine Gefäß stets bei sich. Doch im Augenblick fühlte er sich kräftig genug, ohne Medizin auszukommen. Auf seinem Weg zurück zu seiner Schlafstatt sah er Licht durch die untere Türritze auf den Steinboden des Flurs fallen. Ein seltsames Geräusch ließ ihn aufhorchen. Behutsam drückte er die Tür auf. Die Lederangeln gaben lautlos nach.
Im Halbdunkel sah er zwei Männer vor sich. Einer der beiden war William Beaumont! Er hatte seinen Umhang und das Kettenhemd abgelegt, trug jetzt nur ein dünnes Hemd und eine eng anliegende Hose. In der Hand hielt er eine Peitsche. Auch der zweite Ritter war ähnlich gekleidet. Er drehte
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