Der schwarze Magier
habe bis jetzt aus jeder Misere einen Ausweg gefunden.«
»Ich auch!«
Da erhob sich ein Mann von der Tafel und wandte Richard sein asketisches Gesicht zu. Es war der Prediger Foulques von Neuilly, der offensichtlich schon einige Zeit auf Château-Gaillard weilte. »Bei dieser Pfauenfeder, König Richard, fordere ich Euch auf, Euch von Euren drei Töchtern zu trennen.«
Rupert grinste. »Hört, hört«, murmelte er. »Gibt es da etwas, das ich nicht weiß?«
Richards Gesicht lief rot an. Empört schrie er in den Saal hinunter: »Du lügst, ich habe überhaupt keine Kinder!«
Mit ruhigem Gesicht wandte sich der Prediger wieder um. »Sire, Ihr habt drei Töchter: Hochmut, Begehrlichkeit und Wollust.«
»Nun gut«, Richards ausgestreckter Zeigefinger fuhr wie ein Speer auf den unverschämten Prediger zu. »Den Hochmut gebe ich den Templern und Johannitern, die Begehrlichkeit den Zisterziensern und die Wollust dem gesamten Klerus!«
Auf die nachfolgende plötzliche Stille brach Jubel aus, die Gäste lachten und applaudierten dem König. Der Prediger verließ mit versteinerter Miene das Fest.
Richard hob wieder seinen Pokal und winkte dem Truchsess, der nun die Nachspeisen in Form von Eierkuchen mit Honig und Weinbeeren, Gelee mit Mandeln, Honigkuchen, Nusstörtchen und kandierten Früchten auftragen ließ.
Wie es sich für eine feine Dame geziemte, hielt sich Gwendolyn beim Essen zurück, probierte nur da und dort eine Kleinigkeit, die ihr ein Page, der nur für sie bereitstand, vorlegte. Rupert kümmerte sich nicht um sie. Nur einmal warf er ihr einen missbilligenden Blick zu, als sie nach seiner Hand griff.
Lady Gwendolyn beobachtete alles mit sehr gemischten Gefühlen. Es stand ihr fern, den König zu beleidigen, und sie bemühte sich um ein glückliches Lächeln. Innerlich jubelte sie, dass sie den faszinierenden, geheimnisumwitterten schwarzen Magier mit Hilfe des Königs umgarnt und eingefangen hatte. Andererseits schwankten ihre Gefühle für Rupert de Cazeville zwischen ehrfürchtiger Bewunderung und bewundernder Ehrfurcht. Gleichzeitig reizte er sie zum Widerspruch, zum Kampf und zur Hingabe.
Eine Ehe mit ihm, ein Zusammenleben mit diesem Einzelgänger und wortkargen Mann konnte sie sich allerdings nicht so richtig vorstellen. Doch sie wusste, dass sie ohne ihn nicht mehr leben konnte. Zu unauslöschlich hatte er sich in ihr Herz eingebrannt. Insgeheim fürchtete sie, dass er sich gar nichts aus Frauen machte. Zwar hatte er ihr wunderbare und prickelnde Geschichten aus dem Orient erzählt und darin kamen auch Frauen vor: die Tochter eines Sultans und eine schöne Sklavin. Aber vielleicht waren das nur Märchen, zauberhafte Schleier für die schrecklichen Abgründe in seiner Seele!
Alle ihre zaghaften Annäherungsversuche waren im Sande verlaufen. Nie hatte sie ihn mit einer Frau in enger Vertrautheit gesehen, weder mit einer Magd noch einer Hure, erst recht nicht mit einer Dame von Stand. Sie überlegte, ob er eher Knaben zugeneigt war wie Bischof Albert, doch auch diesen Gedanken verwarf sie wieder. Was für ein Körper hielt sich unter der schwarzen Kleidung dieses Mannes verborgen?
Etwas anderes hatte sich ihr offenbart, die Klarheit seines Geistes, die Klugheit und Schärfe seiner Gedanken. Sie glaubte ihn zu kennen, sie glaubte, auch einen Weg zu seinem Herzen finden zu können.
Das Gesicht des Bräutigams glich einer undurchdringlichen Maske, niemand konnte seine Stimmung daraus ablesen. Es war ernst, reglos, lediglich seine schwarzen Augen glühten in einem verhaltenen Zorn, den nur Gwendolyn zu deuten vermochte. In all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, hatte sie seine beiden schwachen Stellen entdeckt: seine Hände und seine Augen. Seine schönen, schmalen Hände waren so unvergleichlich geschickt. Seine Augen sprachen eine geheimnisvolle Sprache. Doch Gwendolyn hatte darin auch Regungen entdeckt, die seiner Seele entsprangen. Sie musste seinen Blicken standhalten, sie studieren, sie zu deuten wissen – und sie zurückwerfen. Es war nicht leicht, diesen magischen Augen zu widerstehen, in welcher Weise auch immer. Gwendolyn fühlte sich von Rupert gefordert. Es war wie ein Sport, ein Kampf, eine Sucht, ihre Kräfte mit seinen zu messen.
Noch während des Mahls ließ der König die Gesellschaft durch Musikanten mit Fiedeln und Blasinstrumenten, Dudelsack, Pfeifen und Flöten aller Art unterhalten. Rezitationen und artistische Darbietungen bereicherten das Fest.
Richard nahm eine
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