Der schwarze Magier
Kopf, um zu gehen.
»Wartet«, versuchte Eleonore ihn zurückzuhalten. »Ich bin Euch etwas schuldig.« Rupert schüttelte den Kopf, ohne sie anzuschauen. »Er liegt hier im Kloster begraben, neben seinem Vater«, sagte sie leise. »Und sein Herz befindet sich in der Kathedrale von Rouen.«
Rupert kniete auf den harten Steinfliesen der Kathedrale, in tiefem Gebet versunken. Er betete zu keinem Gott, sondern zu Richard. »Ich werde dich Wiedersehen, Richard«, flüsterte er unhörbar. »Dort drüben, in der Anderswelt. Unsere Seelen sind gemeinsam gewandert, ich werde dich finden. Wir waren zwei verschiedene Menschen, aber unsere Seelen sind sich ähnlich. Wir fürchten weder Tod noch Teufel. Ich weiß, du hast vor deinem Tod noch gebeichtet. Du hattest viel zu beichten, weil du es jahrelang versäumt hast. Aus gutem Grund, die Liste deiner Sünden ist lang. Deine Schuldbekenntnisse zeugen von Reue über deine Verfehlungen und du hoffst auf Vergebung für den Tag des Jüngsten Gerichtes. Aber du brauchst nichts zu bereuen, alles hatte letztlich einen Sinn. Es wird keinen Ritter wieder geben auf Erden, der dir gleichen wird, weder in deiner Kühnheit, in deiner Maßlosigkeit, in deiner Leidenschaft, in deinem Leichtsinn, in deinem Edelmut, in deiner Großzügigkeit, in deinem Jähzorn, deinem Wissensdurst, in deiner Triebhaftigkeit, deinem Todesmut, in deiner Genialität, in deiner Worttreue, in deiner Ehre, in der Größe deines Herzens. Die Welt hat deiner Weite nicht gereicht.« Er schreckte zusammen, als er eine Gestalt neben sich knien sah, die Hände zum Gebet gefaltet, den Kopf in tiefer Ehrfurcht gesenkt. Es war Geoffrey of Mandeville!
Der Ritter erhob sich und legte eine Hand auf Ruperts Schulter. Mit dem Kopf deutete er an, ihm zu folgen. Sie verließen die Kathedrale. Rupert blinzelte in die Sonne.
»Ihr habt für ihn gebetet?«, fragte Mandeville. Rupert warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Zu oft hatte der Earl of Essex ihn angefeindet und offen bei Richard gegen ihn interveniert. »Es ist ein ungerechter Tod«, sagte er, ohne Ruperts Antwort abzuwarten. »Er hätte noch so viel Großes leisten können.«
»Oh, wen Gott liebt, den nimmt er beizeiten zu sich. Sagt man nicht so?« Es klang beißender Spott in Ruperts Stimme. »Nun steht ihm der Weg offen, zur Legende zu werden.«
»John ist kein würdiger Nachfolger für Richard«, sagte Mandeville, während sie beide über das grobe Pflaster des Platzes vor der Kathedrale schlenderten.
Rupert senkte den Kopf. »Das wissen alle, selbst seine Mutter. Aber es war Richards Wille.«
Mandeville fuhr erregt herum. »Weil er auf diesem Auge blind war! Seine Großherzigkeit konnte auch zerstörerisch sein. Mit Richard wird sein Reich untergehen. John kann es nicht halten!« Ein wenig unwirsch zuckte Rupert mit den Schultern. Was ging ihn an, wie der neue König sein Reich verwaltete! »Es wird wieder Krieg geben, Philipp wird sich nicht an den Friedensvertrag halten. Bis vor kurzem haben John und Philipp noch gemeinsame Sache gemacht, solange es gegen Richard ging. Die englischen Barone werden John nicht unterstützen. Dafür werde ich sorgen.«
Rupert blickte ihn lange an. »Ein Aufruhr?«
Mandeville blieb plötzlich stehen und legte seine Hände auf Ruperts Schultern. »Kommt mit mir nach England. Ich brauche einen Menschen wie Euch.«
Unwillig schüttelte Rupert Mandevilles Hände ab. »Ich lasse mich vor keinen Karren spannen«, knurrte er. »Nicht einmal vor Richards. Dadurch wird er auch nicht wieder lebendig.« Er schaute sich um. Eine seltsame Unrast hatte ihn ergriffen. »Aber ich werde auch nach England zurückkehren. Wo steht Euer Pferd?«
Der Mann aus dem Dunkel
Die salzige Seeluft gab Rupert ein wenig von dem Gefühl der Freiheit wieder, das er so lange vermisst hatte. Während er am Bug des Schiffes stand und der in der Ferne auftauchenden Küste Südenglands entgegenblickte, kreisten seine Gedanken um Vergangenheit und Zukunft.
Mit der normannischen Küste ließ er auch seine Vergangenheit zurück, seine Vergangenheit als Medicus, seine Vergangenheit in Palästina, seine Vergangenheit mit König Richard, seine Vergangenheit mit Gwendolyn. Er ließ keine Wehmut aufkommen. Immer hatte es glatte Schnitte in seinem Leben gegeben, als ihn seine Mutter ins Kloster bringen ließ, als der alte Druide starb, als er Genua verließ, als er zu Sultan Saladin ging, als König Richard starb.
Und Gwendolyn? Seine Hände krallten
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