Der schwarze Magier
schauen und ihre Schwächen nutzen, vielleicht auch ihre Stärken, je nachdem, welches Ziel du bezweckst. Es ist eine gewaltige Macht, die dir damit gegeben ist. Lass sie dir nicht von anderen rauben.«
Rupert blickte ihn fragend an, doch er wagte die Frage nicht zu formulieren. Der Priester wusste sie. »Es gibt nicht nur dumme Menschen. Es gibt auch kluge und diese Klugen werden deine Begabung erkennen und sie zu nutzen versuchen. Versteh mich, sie werden sie zu ihren Gunsten gebrauchen, missbrauchen, dich missbrauchen.« Er blickte ihn jetzt eindringlich an und Rupert schauderte, »Lass nie einen anderen Menschen über dich bestimmen, lass nie einen anderen Menschen Macht über dich gewinnen!«
»Aber wenn ich in ihre Seelen schaue, sie mir zunutze mache, dann bin ich doch nicht besser als sie«, wandte Rupert ein.
»Es zeigt mir, dass du gar nichts verstanden hast«, knurrte der Alte. »Es gibt kein Gut und Böse, es gibt keinen Dualismus, es gibt keine Sünde, wie es die Christen behaupten. Es wäre ein Vergehen, wenn du dich als unfähig erweist, das zu leisten, was dir aufgegeben wurde, wenn du unfähig bist, dein eigenes Selbst zu überwinden. Entweder du verhältst dich so, dass du die Erfüllung des eigenen Schicksals oder desjenigen der Gemeinschaft förderst, oder du verhinderst es. Dann bist du dir der Schwierigkeiten deines Unternehmens nicht ausreichend bewusst oder du bist nicht genügend darauf vorbereitet. Vielleicht bist du auch nur unzureichend belehrt. Du kannst den falschen Weg einschlagen, doch das muss nicht unbedingt auf einen Mangel an Weitsicht zurückzuführen sein. Aus Fehlern lernst du und du wirst sie kein zweites Mal begehen. Um ein Sehender und ein Wissender zu werden, musst du einen langen, steinigen Weg gehen. Er darf dich nicht abschrecken, im Gegenteil. Er fordert dich zum aktiven Handeln und zur stetigen Vervollkommnung.« Die kleinen, schwarzen Augen richteten sich auf Rupert. »Bist du gewillt, diesen Weg zu gehen?«
Rupert wich diesem Blick aus. »Ich weiß nicht, ob ich es kann.«
»Deine Antwort ist so ausweichend wie dein Blick. Du willst dich den Anforderungen nicht stellen. Aber ich weiß, dass du dazu in der Lage bist.«
Zweifelnd schüttelte Rupert den Kopf.
»Rigana hat dir von den Göttern erzählt, vom Kampf der Tuatha De Danann gegen die Fomore. Und sie hat dir auch erzählt, dass es keine guten Götter und keine bösen Götter gibt, sie sind sie! Gut und Böse ist eine Einheit, so wie Leben und Tod, Tag und Nacht. Alles gehört zusammen, ist untrennbar miteinander verbunden. Das Wirkliche ist nichts Absolutes. Wirf deine alten Moralvorstellungen beiseite, befreie dich vom Zwang des großen Gottes. Erst dann wirst du als Mensch tatsächlich frei sein. Du fürchtest nicht mehr den Tod, du liebst das Leben umso mehr, du wirst aus reinem Herzen über die anderen spotten können und deine Seele wird heiter sein. Vor allem aber wirst du die göttlichen Energien ständig in dir und um dich herum spüren, denn sie sind immer da, die Kräfte der Natur. Sie wirken außerhalb deines Bewusstseins, aber du wirst sie bewusst in dich aufnehmen.«
»Ich kann nicht glauben, dass das alles wahr sein soll«, murmelte Rupert leise.
»Du sollst überhaupt nicht mehr glauben. Glauben heißt, dass man nichts wissen will. Du aber musst wissen! Nur das Wissen über die göttliche Macht verleiht auch dir diese Macht. Und was die Wahrheit betrifft, so ist es wie mit dem Absoluten, es gibt sie nicht. Die Wirklichkeit ist relativ und die Wahrheit ist relativ, je nachdem, von welcher Seite du sie betrachtest. Es gibt keine absolute und offenbarte Wahrheit. Die Wahrheit ist lediglich das Resultat eines Urteils, das der Geist zu einem bestimmten Zeitpunkt gefällt hat. Morgen kann dieses Urteil ganz anders ausfallen, weil die Umstände sich geändert haben.« Er schaute Rupert jetzt mit einem fast mitleidigen Blick an. »Ich weiß, im Kloster hat man es dir genau anders erzählt und du hast es einfach geglaubt. Gott hat die eine und absolute Wahrheit verkündet und jeder, der nicht daran glaubt, ist ein Ketzer. Du solltest nicht wissen, sondern glauben. Du solltest nicht denken, sondern gedankenlos nachplappern. Deshalb fürchten sie die Weisheit der Alten, denn diese Weisheit ist nicht Glauben, sondern Wissen.« Der Druide legte seine knochige Hand auf Ruperts Arm. »Du wirst ein unermessliches Wissen erwerben und eine unermessliche Macht. Du wirst lernen über die Gestirne am Himmel,
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