Der schwarze Magier
dem so etwas gefällt.« Er kicherte. »Und er hat menschliche Schwächen, wenn er den Prunk liebt.« Er schüttelte sein greises Haupt. Sein Gesicht wurde wieder ernst. »Aber er ist kein dummer Gott, oh nein! Er weiß genau, dass das Wissen auch Macht bedeutet. Deshalb will er, dass seine Gläubigen unwissend bleiben. Die alten Weisheiten heißen jetzt Aberglaube oder Gotteslästerung oder schwarze Magie oder Hexerei.« Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner schmalen Brust. »Du wirst schon bald spüren, welche Macht du mit deinem Wissen über die Menschen gewinnst. Eine größere Macht, als sie je ein König oder Kaiser hatte.
Könige sind Krieger, Anführer ihrer Schwertschwinger. Sie sind zum Kämpfen bestimmt, nicht für die göttlichen Weisheiten. Deshalb stand in den alten Zeiten jedem König ein weiser Mann zur Seite, ein Priester der Wälder, der ihn beriet, in die Zukunft schaute und das Schicksal erforschte. Und der der göttlichen Kräfte mächtig war. Jetzt glauben diese Könige tatsächlich, ohne diese Kräfte auszukommen. Stattdessen beugen sie die Knie vor diesem einen allmächtigen Gott, diesem gnadenlosen, harten Gott, der für sich in Anspruch nimmt, die Welt allein geschaffen zu haben. Deshalb soll kein Mensch wissen, wie diese Welt funktioniert, weil er sich sonst diesem Gott gleichstellen würde.«
Rupert wagte kaum zu atmen. Wenn es stimmte, dass er diese Kräfte erkennen und beherrschen könnte… Seine Finger krallten sich in den weichen Waldboden.
Der Alte schaute ihn durchdringend an und schien seine Gedanken erraten zu haben. »Genauso schnell wirst du spüren, wie dir dieses Wissen zum Nachteil gereicht. Vielleicht zum tödlichen Nachteil. Weil die Menschen glauben, du seist mit dem Teufel im Bunde, weil sie nicht begreifen können oder begreifen wollen, dass ein Mensch das göttliche Wissen in sich aufnehmen kann. Und sie werden dich verfolgen, dich quälen, vielleicht töten sie dich. Die Menschen sind schlecht geworden, seit sie die alten Götter vergessen haben.«
»Ich kann mich wehren«, begehrte Rupert auf. »Mit dem Schwert!«
»O ja, das ist die Sprache der Krieger. Aber nicht deine. Und das Schwert wird dir in diesem Fall wenig nützen, mein Junge. Die Abgründe der menschlichen Seele sind tief, sehr tief und dunkel. Um die Gefahr zu erkennen, musst du sie kennen. Deshalb will ich dich alles über die menschliche Seele lehren, über die Psyche, und wie du die Psyche der anderen beherrschen kannst.«
»Die Seele eines anderen Menschen beherrschen!«
Der Alte nickte bedächtig. »Du kennst die Geschichte von Lug, der in die Festhalle des Königs Nuada Einlass begehrt? Er konnte die Seelen der Menschen beherrschen. Oder glaubst du, ein paar Kräutertränke, ein bisschen Hokuspokus, etwas Liebeszauber wären alles, was ein Eichenpriester kann? Ich werde dich in die Geheimnisse dieses Wissens einführen und eines Tages wirst du erkennen, welche Macht du damit besitzt. Dieses Gefühl der Macht – jeder König sehnt sich danach, aber du wirst es tausendfach mehr spüren. Es ist tausendmal schöner als die Liebesnacht mit einer Frau und berauschender als Mohnsaft, Tollkirsche und Wolfsmilch zusammen.«
Rupert errötete und schlug die Augen nieder. Ob er wusste, was zwischen ihm und Rigana geschehen war? Aber natürlich musste er es wissen. Ob es wirklich etwas Schöneres und Berauschenderes gab als eine Nacht mit Rigana? Er wollte nicht an sie denken, gleichzeitig spürte er eine eiserne Hand schmerzhaft nach seinem Herz greifen.
»Gefühle sind Wellen, die das Meer deiner Seele schlägt«, fuhr der Alte fort und Rupert fühlte sich wieder in seinen Gedanken ertappt. »Du musst lernen, diese Gefühle zu beherrschen. Bevor du in die Seelen anderer Menschen schaust, musst du deine eigene Seele erkennen. Liebe, Hass, Zorn, Trauer sind flüchtige Momente, die dir die Zügel aus der Hand nehmen. Leicht kannst du damit ins Verderben geraten. Du musst sie fest im Griff haben. Du musst sie unter deinem Panzer tragen wie der Krebs das Fleisch unter seiner Schale. Das heißt nicht, dass du diese Gefühle nicht haben darfst. Du wirst sie haben, denn sie gehören zur Seele wie der Kopf zu deinem Körper. Doch sie sind etwas, was nur dir gehört, deshalb darfst du sie anderen nicht mitteilen. Sie würden es gnadenlos ausnutzen.« Versonnen nickte er und hing seinen Gedanken nach.
Rupert schwieg, doch seine Augen blickten den Alten gebannt an. »Denn du wirst in die Seelen der anderen
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