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Der schwarze Magier

Der schwarze Magier

Titel: Der schwarze Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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sich. »In nomine patris et filii et spiritu sanctu.« Das Amen verschluckte er.
    Der Henker führte den Verurteilten unter den Galgen und legte ihm die Schlinge um den Hals. Er prüfte den festen Sitz, dann trat er einen Schritt zurück. Chorknaben setzten zu einem lauten Choral an, der das Schreien der Zuschauer zu übertönen versuchte, als der Henker die Leiter wegstieß, auf der der Verurteilte stand. Er pendelte am Strick hin und her, zappelte mit den Beinen. Sein ganzer Körper zuckte und wand sich. Das Gesicht verzerrte sich, wurde dunkelrot, die Zunge quoll heraus. Die Augen traten aus den Höhlen und er machte unter sich. So kämpfte er einige Augenblicke, bis er sich nicht mehr rührte.
    Der Mann war tot, er hing schwer wie ein Mehlsack am Galgen, den Kopf unnatürlich verrenkt. Die Menge zerstreute sich langsam.
    Reinaldo zog Rupert am Ärmel. »Komm, lass uns auch gehen.«
    Rupert warf einen Blick auf den Gehängten. »Was für eine Verschwendung«, murmelte er.
    Reinaldo hatte es trotzdem gehört. »Was meinst du damit?«
    »Dass er drei Tage hier hängen muss, bis er zum Himmel stinkt. Mich würde interessieren, wie er von innen aussieht, solange er noch nicht verfault ist.«
    Reinaldo wurde bleich und bekreuzigte sich. »Du versündigst dich«, hauchte er entsetzt.
    Rupert blickte ihn scharf an. »Wieso? Sagtest du nicht, er wird nicht mal in geweihter Erde bestattet? Er ist ein Verbrecher, ein Sünder. Gott will ihn nicht haben. Also kann man doch mit seiner Leiche machen, was man will.«
    »Aufschneiden darf man ihn nur, wenn er gevierteilt wird. Aber das entscheidet der Richter, wie er zu Tode kommen muss. Und der Henker vollstreckt es.«
    »Das ist kein Aufschneiden, wie ich es meine«, entgegnete Rupert. »Ich meine, man müsste ihn sezieren. Einen richtigen Menschen, nicht nur tote Schweine wie in der Universität.«
    Reinaldo schluckte schwer. »Wie kommst du auf so eine abartige Idee?«
    »Weil ich glaube, dass der Mensch anders aufgebaut ist als ein Schwein. Sonst hätte Gott die Menschen doch den Schweinen gleichmachen können.«
    »Nein, natürlich gibt es Unterschiede zwischen Menschen und Schweinen!« Reinaldo rollte nervös mit den Augen. »Gott hat den Menschen nach seinem Bilde geschaffen.«
    »Na also! Und innen muss Gott demzufolge so aussehen wie ein Mensch und nicht wie ein Schwein.«
    »Ich glaube schon. Deswegen ist es auch Sünde, einen toten Menschen aufzuschneiden. Schließlich würde das doch das Seelenheil verletzen.«
    »Auch bei einem Verbrecher? Seine Seele ist doch sowieso verdammt.«
    »Worauf willst du eigentlich hinaus mit deinen seltsamen Diskussionen?«
    Rupert schwieg und warf Reinaldo einen warnenden Blick zu. »Stell diese Frage nie wieder, sonst fühlst du dich eines Tages genauso schwer und leblos wie der da!« Er wies mit dem Griffel auf den Gehängten, der leise am Galgen im Wind schaukelte. Als sich Reinaldo schaudernd wieder umwandte, war Rupert verschwunden. Und am anderen Morgen fehlte die Leiche des Verbrechers am Galgen.
    Sie standen im Hospiz in der Krankenabteilung. Die Patienten lagen auf Pritschen, manche am Boden, andere saßen auf Hockern. Ein unerträglicher Gestank lag in der Luft. Ein Pulk Studenten folgte dem Arzt bei der Harnschau. Demonstrativ hielt er ein Glas mit einer Urinprobe hoch und forderte einen der Studenten auf, die Probe zu beschreiben und dann auf die Krankheit zu schließen. Der junge Mann ließ sich ausführlich über Farbe, Trübung und Ablagerung des Harns aus, dann schloss er: »Der Kranke leidet an einem Ungleichgewicht der Säfte. Es ist zu viel schwarze Galle und Schleim vorhanden. Er sollte Diät halten und getreu der Lehre ›Gleiches mit Gleichem‹ mit Haferschleim und schwarzer Grütze behandelt werden.«
    Der Arzt nickte und gab die Anweisung zur Behandlung an einen Mönch weiter, der die Pflege des kranken Pilgers übernommen hatte.
    Rupert blieb am Bett des Kranken stehen, als sich alle bereits zum nächsten Krankenlager begaben. Er hielt Reinaldo am Ärmel fest. »Die Niere ist ein Organ, das den Harn aus dem Körper sammelt und über die Blase ausscheidet«, sinnierte er.
    »Das kann dir jeder Metzger erzählen«, grinste Reinaldo. »Was ist daran so umwerfend?«
    »Wenn im Harn aber das drin ist, was die Krankheit verursacht, dann bedeutet es, dass die Niere den Körper reinigt. Und der Urin ist voll von krankmachendem Unrat. Weißt du, ich glaube, in den Ausscheidungen befindet sich etwas, was Krankheiten

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