Der schwarze Magier
Vorlesungen, die Diskussionen, die Abende in den Schenken, die Mädchen…« Er seufzte. »Und dich. Ich glaube, so einem Menschen wie dir werde ich in meinem Leben nie wieder begegnen. Du bist das Schwärzeste, was auf dieser Erde herumläuft, aber, bei Gott, das war es wert. Ich habe Dinge gesehen, ich habe Dinge getan…« Er schüttelte sich entsetzt und griff wieder zum Krug. Den anderen Arm legte er um Ruperts Schultern. »Was wirst du nun tun?«
Rupert senkte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall gehe ich fort von hier, nach dem Süden. Irgendwo werde ich mich als Arzt niederlassen…«
»… und anderen Menschen die Bäuche aufschneiden oder sonst etwas. Darin hast du es ja zur Meisterschaft gebracht. Aber man muss schon deinen seltsamen Glauben haben, um das ungerührt praktizieren zu können.«
»Es hängt nicht mit meinem Glauben zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass man die Operationstechniken vervollkommnen kann. Und ich weiß, wo so etwas möglich ist. Im Orient!«
»Bei den Heiden? Puh, willst du damit sagen, du willst dorthin, um anderen Menschen die Bäuche aufzuschlitzen?«
Rupert nahm Reinaldo den Weinkrug aus der Hand. »Der Wein lockert deine Zunge auf ungebührliche Weise. Du solltest alles vergessen, was mit mir zusammenhängt.«
»Wie könnte ich!« Reinaldo schnaufte entrüstet. »Ich habe sogar ein Abschiedsgeschenk für dich.« Er griff unter seinen Wams und zog ein kleines Päckchen hervor. Plötzlich schien er wieder nüchtern zu sein, als er es Rupert feierlich überreichte.
»Was ist das? Ein Buch?« Erstaunt hielt Rupert eine kleine Broschüre in der Hand, in dunkles Leder gebunden.
Reinaldo nickte. »Es ist von Pierre Abelard. Ein sehr ungewöhnlicher Mensch, ein Gelehrter. Das Werk heißt Sie et non – ja und nein. Verstehst du, Gegensätze sind für ihn keine Gegensätze, wenn man sie im Zusammenhang sieht. Sagtest du das nicht auch?«
Rupert schwieg und er schien tatsächlich ein wenig überrascht und gerührt. Reinaldo grinste. »Dieser Abelard ist tatsächlich sehr gegensätzlich. Einerseits wettert er gegen die Frau als Sünderin und meint, Gott hätte einen anderen Teil des weiblichen Körpers für seine Empfängnis und Geburt wählen können, anstelle jenes verabscheuungswürdigen Teiles, dem die Menschensöhne entstammen.« Er kicherte. »Und dann hat er ein Verhältnis mit der keuschen Tochter eines Geistlichen, die er schwängert und heimlich heiratet. Nun frage ich mich, wie hat der es gemacht? Mit dem Finger in ihrem Ohr? Und damit nicht genug, er wird von einem erzürnten Verwandten dieses Mädchens entmannt. Und obwohl diese Heloise ins Kloster ging, liebten sich beide immer noch über Jahre bis zu ihrem Tod. Wenn das keine Gegensätze sind!« Reinaldo ließ sich nach hinten fallen und knallte mit dem Kopf gegen die Bretterwand der Taverne. »Und was macht man, wenn man kein Weib zur Verfügung hat? Man ertränkt seinen Kummer im Wein. Los, Rupert, trinken wir! Musik!« Die anderen Studenten am Tisch, die der Abschlussfeier beiwohnten, fielen in das bekannte Vagantenlied ein:
»Mein Begehr und Willen ist in der Schenke sterben,
wo mir Wein die Lippen netzt, eh sie sich entfärben.«
Der Medicus des Teufels
Ruperts Weg führte ihn von Bologna aus nach Westen. Er hatte kein konkretes Ziel. Vielleicht war Genua als Hafenstadt ein möglicher Platz, sich als Arzt niederzulassen. In seinem Innersten regte sich das unbestimmte Gefühl, dass er in einer engen schmutzigen Stadt nie glücklich werden würde. Doch nach dem Zwang des Studiums sehnte er sich danach, endlich wieder sein eigener Herr zu sein. Es mangelte ihm zwar nicht an Disziplin, aber jede Art äußerer Zwang schien ihn zu ersticken. Trotz der Einsicht in die Notwendigkeit des Studiums und die damit verbundenen Zwänge trug er sie als Last, die er nun endlich abschütteln konnte. Nur seinen enormen Wissensdurst hatte auch das Studium nicht löschen können. Er hatte viel dazugelernt, aber genauso viele neue Fragen hatte das Studium aufgeworfen. Am meisten fühlte er sich durch die christlichen Moralvorstellungen eingeengt in seinem Forschungsdrang. Mehr als einmal hatte er sie unter Lebensgefahr umgangen und war seinen eigenen Weg gegangen. Er wusste, dass er dadurch stets ein Einzelgänger blieb, und es war ihm recht so. Bislang konnte ihn auch kein anderer Mensch fesseln. Ausnahmen waren Rigana und der alte Eichenpriester. Der Druide setzte seine Wanderung in der Anderen Welt
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