Der schwarze Magier
verursacht. Und wenn man damit leichtfertig umgeht, es auf die Straße kippt, jeder es berührt… ob nicht daher die Seuchen kommen?«
»So ein Unsinn!« Ärgerlich riss sich Reinaldo aus Ruperts Griff los. »Was soll denn darin sein? Das bedeutete ja, dass jeder Mensch Verursacher von Krankheiten wäre. Und warum sind dann manche Menschen krank und andere nicht? Und warum stecken sich manche Menschen mit Fieber an und andere nicht?«
Rupert blieb stehen, während die anderen längst weitergegangen waren. Hilflos hob er die Hände, aber innerlich war er zornig. »Was wissen wir denn eigentlich? Gar nichts!«
Reinaldos Lippen waren bleich, als er durch die schmale Gasse hastete. Doch in seinen Augen glühte es von unterdrücktem Feuer. Es war ein Feuer der Hölle, das wusste er, aber Rupert hatte ihn mit diesem Fieber angesteckt.
Er fand Rupert im Garten hinter der Bibliothek. Hier fühlte er sich wohl. Der Gesang der Vögel, das sanfte Säuseln des Windes im dunkelgrünen Laub der Bäume begleitete seine Studien, er las die Werke Euklids zur Mathematik, Aristoteles’ zur Philosophie, Ptolemäus’ zur Astronomie, Hippokrates’ zur Medizin…
»Ich habe etwas für uns gefunden, ein geeignetes… Objekt«, keuchte Reinaldo. Unwillig blickte Rupert auf. »Ich meine eine Schwangere.«
Ruperts abweisendes Gesicht hellte sich auf. Zugleich blickte er sich vorsichtig um. Unliebsame Lauscher konnten sich hinter den Büschen verborgen halten. »Wo?«
»In der Gruft des Friedhofes. Ich habe beobachtet, wie die Leichenträger sie hineingebracht haben. Sie ist unter der Geburt gestorben, das Kind ist noch im Leib.«
»Bist du dir sicher?«
Reinaldo nickte heftig. »Sie war nur mit einem Tuch zugedeckt. Eine der leibeigenen Bediensteten, um die sich niemand kümmert. Sie war nicht einmal verheiratet.« Reinaldos Stimme senkte sich zum kaum hörbaren Flüstern. »Heute Nacht?«
»Ja. Wir brauchen Leuchtfässer.«
»Ich habe Kerzen organisiert.«
Ruperts Mundwinkel zuckten. »Woher?«
»Woher wohl? Mein Gott, ich komme sowieso in die Hölle und du hast mich verleitet. Ich schände Leichen, stehle Kerzen vom Altar und habe sündige Gedanken. Das Schlimmste ist, dass ich nicht einmal zur Beichte gehen kann.«
»Untersteh dich! Und denk daran, es gibt keine Hölle. Stell dir lieber vor, du hättest dieser Frau helfen können, wenn du gewusst hättest, wie das mit der Geburt funktioniert.«
»Helfen? Du träumst ja! Niemand kann da helfen, es ist gottgewollt. Außerdem willst du doch damit nicht andeuten, dass du eine Frau bei lebendigem Leibe das Kind herausschneiden würdest?« Reinaldo schüttelte sich wie ein nasser Hund.
»Warum nicht?« Ruperts Gesicht blieb ernst.
Reinaldo starrte ihn an. »Na, hör mal… Du bist doch noch abartiger, als ich dachte.«
»Cäsar soll auf diese Weise auf die Welt gekommen sein. Wenn man die Gebärende mit einem starken Betäubungsmittel behandelt, dass sie den Schmerz nicht verspürt, müsste es möglich sein.«
»Du irrst dich. Wenn du den Bauch aufschneidest, tötest du dabei das Kind.«
»Eben nicht, wenn man weiß, wie man schneiden muss.«
»Und wenn schon. Dann verblutet sie eben dabei. Ich sage dir, es geht nicht.«
Rupert erhob sich und strich seinen schwarzen Umhang glatt. »Wir werden es heute Nacht sehen. Und du wirst mich begleiten, klar?«
Reinaldos Blick wurde unsicher. »Ich weiß nicht…«
Mit zwei Schritten war Rupert bei ihm und packte ihn am Hals. »Du kommst, verstanden?«, zischte er. »Und zu niemandem ein Wort, sonst liegst du morgen früh neben ihr auf der Steinplatte!«
Sie lehnten sich aneinander und schaukelten im Takt der Musik. Reinaldo hob schwer die Lider und griff nach dem Weinkrug. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich es schaffe«, sagte er schleppend, als wolle ihm die Zunge nicht gehorchen. »Aber jetzt ist es vorbei. Ich werde zurück nach Venedig gehen, mich dort als doctor medicinae niederlassen…«
»… und deine Lehr buch Weisheiten verbreiten, ohne dir die Finger schmutzig zu machen. Du wirst ein angesehener und reicher Mann sein, eine liebe Frau heiraten und viele Kinder haben. Und vielleicht schaffst du es sogar, dass deine Frau dir nicht unter der Geburt stirbt.« Rupert schob den Weinkrug beiseite, den Reinaldo ihm hinhielt.
»Dein Spott ist ungebrochen, doctor. Weißt du, eigentlich ist es schade, es war eine schöne Zeit.« Er nahm einen tiefen Schluck und rülpste laut. »Wie werde ich das alles vermissen, die
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