Der schwarze Magier
Rupert den kleinen Garten hinter dem Haus und säte Samen von Kräutern aus, den er weit draußen auf den Wiesen und in den Wäldern gesammelt hatte. Immer wieder zog es ihn zum Hafen, wo er von den Händlern kostbare Waren aus dem Orient erwarb. Besonders Mohnsaft, Granatäpfel, seltene Gewürze, bestimmte Baumwollstoffe und immer wieder silberne und kupferne Messer, Stilette und Nadeln fanden sein Interesse.
Sein hässliches, aber genügsames und ausdauerndes Pferd stand die meiste Zeit auf der kleinen Koppel hinter dem Haus, wenn Rupert nicht seine ausgedehnten Ritte in die weitere Umgebung zum Sammeln wilder Kräuter und Wurzeln oder in den Wald zum Meditieren unternahm.
Clemens ging ihm bei allen Dingen zur Hand, stellte sich außerordentlich geschickt und gelehrig an. Was Rupert am angenehmsten empfand, war die Tatsache, dass Clemens kaum Fragen stellte. Und wenn, dann waren sie präzise und betrafen die Dinge, die er lernen wollte. Ansonsten war der Junge verschwiegen, fleißig, umsichtig und zuverlässig. Rupert war zufrieden.
Obwohl die Menschen ihm mit scheuer Zurückhaltung begegneten, wurden es doch immer mehr Patienten. Es sprach sich herum, dass seine Behandlungs- und Heilungsmethoden oft sehr ungewöhnlich, dafür sehr erfolgreich waren. Es waren zumeist arme Menschen, die ihn mit Eiern, Dörrfisch, einem Stück Stoff, einem Laib Brot oder einem billigen Schmuckstück bezahlten.
Seine Reserven aus seinem schmalen Erbe waren aufgebraucht, die wenigen Münzen, die er erhielt, benutzte er zum Kauf medizinischer Instrumente. Einmal trepanierte er einem Kind den Schädel, um einen Bluterguss, den es sich bei einem Sturz vom Baum zugezogen hatte, zu entfernen, ein anderes Mal schnitt er einer gebärenden Stute den Bauch auf, dessen Fohlen quer lag. Stute wie Fohlen überlebten den Eingriff und die Kunde von dem wundertätigen Medicus verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt.
Nun kamen auch immer mehr reiche Patienten. Natürlich kamen sie nicht in seine armselige Hütte, sondern ließen ihn zu sich holen, damit er sie von ihren Leiden kuriere. Rupert stellte fest, dass sich die Leiden der armen Leute von denen der Reichen zum Teil unterschieden. Litten die Armen oft an schlimmen Infektionserkrankungen, klagten die Reichen eher über verdorbene Mägen, Leber- und Gallenprobleme, Verstopfungen und Blähbäuche. Oft scheiterte die Heilung der Armen an deren schlechtem körperlichem Zustand, Unterernährung, Schmutz und Aberglaube. Eine Wehenfrau, die einer Wöchnerin gegen starke Nachblutungen Kuhmist zwischen die Beine gepackt hatte, hätte er fast aus Zorn erwürgt. Er konnte das Leben der armen Frau nicht retten, die an einer Blutvergiftung starb. Sein Erscheinen bei einer Geburt war etwas Unerhörtes und die gescholtene Wehenfrau versäumte es nicht, den unheimlichen Medicus lautstark in Verruf zu bringen. Niemand schien sich zu kümmern, dass Schmutz im Zusammenhang mit offenen Wunden schwere Krankheiten, wenn nicht den Tod nach sich zog.
In der Enge der Stadt schienen sich bestimmte Krankheiten wie Schwindsucht, Ruhr und Aussatz schnell auszubreiten. Ruperts tiefstes Bedürfnis, sich vor und nach jeder Behandlung eines Kranken gründlich die Hände zu waschen, sein Haus peinlichst sauber zu halten und die Instrumente und Stoffe ständig auszukochen, bewahrte ihn davor, selbst zu erkranken. Zwar wusste er nicht, welche Stoffe diese Krankheiten von einem Menschen zum anderen übertrugen, warum die einen erkrankten und andere davon verschont blieben, aber er bemerkte deutlich einen Zusammenhang zwischen Sauberkeit, gesunder Lebensweise, guter körperlicher Konstitution und ausgeglichenem seelischem Zustand.
An den langen Abenden saß er am Tisch und schrieb seine Beobachtungen auf Pergamentbögen, versah sie mit Illustrationen, verglich sie mit seinen Aufzeichnungen aus dem Studium und sammelte alles zwischen zwei lederbezogenen Holzdeckeln wie in einem Buch. Er bedauerte, die unerschöpfliche Bibliothek von Bologna nicht mehr zu seiner Verfügung zu haben, doch sein ausgezeichnetes Gedächtnis hatte viele wichtige Dinge, die er dort gelesen hatte, bewahrt. Er vertraute seinem scharfen Verstand, seinem erlernten Wissen und seinen Erfahrungen. Und immer mehr brachte er die Behandlung der Seele ins Spiel. Hier konnte er anwenden, was ihn der alte Eichenpriester gelehrt hatte: die Einheit von Seele und Körper. Nach den druidischen Regeln der Medizin diagnostizierte er. Danach wandte er die
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