Der schwarze Magier
Obwohl noch tiefe Schatten unter seinen Augen lagen, ging es ihm gut. Die Drogen hielten die Schmerzen in Grenzen und die bleichen, blau gefleckten Finger, die unter seinem Verband auf der hölzernen Schiene lagen, krabbelten und juckten nach seinen eigenen Worten, als ob ein ganzer Ameisenstaat darin wohnte.
De Cazeville hatte ein Wunder vollbracht, das er nicht mit dem Verstand erfassen konnte. Mochten sie ihn als Zauberer oder Hexenmeister bezeichnen, mochten sie ihn ächten und ihn meiden, für ihn, Richard, war dieser Mann nicht mit Gold auf zu wiegen.
»Sire, den Pferden bekommt die Seefahrt nicht«, sagte Rupert. »Wenn Ihr nicht wollt, dass sie an Krankheiten sterben oder sich in Panik tottrampeln, dann ändert Euren Plan.«
König Richard stand an der Reling und blickte sinnend über das Meer hinüber zur italienischen Küste. Sie hatten im Hafen von Pisa bereits ankern müssen, weil einige Pferde schwer erkrankt waren. Dass er sich bei dieser Gelegenheit mit dem Bischof von Rouen getroffen hatte, war ein günstiger Zufall. Richard wollte auf seinen geistlichen Beistand nicht verzichten.
»Es ist das Wasser, Sire. In den Fässern fault es. Die Pferde reagieren darauf empfindlicher als die Menschen.«
»Euch liegen die Pferde wohl mehr am Herzen als die Menschen?«, fragte der König mit gutmütigem Spott.
Rupert warf ihm einen tadelnden Blick zu. »Wie wollt Ihr das Heilige Land befreien ohne Pferde? Glaubt Ihr, die Araber verkaufen Euch ihre Pferde?«
»Da ist etwas Wahres dran. Nein, die Pferde brauchen wir. Was schlagt Ihr vor, de Cazeville?«
»Nehmt den Landweg.«
Richard hob seine dichten, blonden Augenbrauen in die Höhe. Durch die starke Sonne und den Seewind waren sie fast weiß geworden. »Ich werde mit dem Kapitän sprechen, wo wir am besten an Land gehen. Die Flotte soll weiterfahren bis zur Meerenge von Messina.«
»Mein König, das ist doch purer Unsinn!«, begehrte Geoffrey of Mandeville auf, der beim Gespräch Richards mit dem Kapitän zugegen war. »Wir verlieren kostbare Zeit. Der größte Teil Eurer Flotte wird schon vor Sizilien angekommen sein!«
»Das will ich hoffen, Mylord. Doch was ist, wenn uns die Pferde wegsterben wie die Fliegen? De Cazeville sagt, das Wasser sei schlecht.«
»Ihr hört auf diesen unheimlichen Fremden, Sire? Er flüstert Euch Teufeleien ins Ohr. Er ist nicht am Kreuzzug interessiert, deshalb erzählt er solchen Unsinn. Er will Euch an Eurem verdienten Ruhm hindern, er will vielleicht gar nicht, dass Jerusalem befreit wird. Ich hörte, dass er ein Gottloser sei, ein Heide.«
»Ach was!«, wehrte Richard ab. »Schaut Euch mal die Gelenke der Pferde an, alle geschwollen, die Beine steif. Was sollen wir mit solchen Pferden anfangen? Und die Seereise wird noch lang. De Cazeville hat Recht. Wir werden in Petri an Land gehen und bis nach Reggio reiten.« Er wandte sich entschlossen um und verließ die Brücke.
»Dieser schwarze Magier hat ihn schon total behext«, knurrte Mandeville.
Der Kapitän drehte sich zu ihm um und seufzte. »Ich bin froh, wenn der Kerl von meinem Schiff runter ist!«
König Richard ließ alle Pferde in Petri an Land bringen und zunächst mit sauberem Wasser und frischem Heu versorgen. Die Pferdeknechte hatten alle Hände voll zu tun, die geschwollenen Gelenke der Tiere mit einer Salbe einzureihen, die Rupert in großen Mengen herstellte. Scharf riechender Kampfer war ein Hauptbestandteil dieser Salbe und alle verzogen sich naserümpfend aus Ruperts Umkreis. Rupert selbst war froh darüber. Äußerlich schien er erhaben über die ständigen und bösartigen Sticheleien der Ritter, aber ihn störten die vielen Menschen auf engem Raum. Er atmete befreit auf, als sie an der Küste entlang gen Süden ritten.
Richard hatte sich dazu entschlossen, nachdem die Galeeren wegen einer Flaute nicht so recht vorwärts kamen. Rupert vermutete noch einen anderen Grund, warum der englische König so bereitwillig den Landweg wählte. Mehr als einmal hatte er ihn beobachtet, wie er mit grünem Gesicht an der Reling stand und sich erbrach. Richard war seekrank. Jetzt war von diesem Übel nichts mehr zu bemerken.
In Ostia rasteten sie. Bischof Oktavian begrüßte den König und bereitete ihm einen glanzvollen Empfang. Rupert zog sich zurück, die großen Ruinen und antiken Mauern erregten sein Interesse mehr als der bischöfliche Pomp. Er war jedoch nicht wenig erstaunt, als Richard in Begleitung einiger weniger Reiter ihm folgte.
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