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Der schwarze Magier

Der schwarze Magier

Titel: Der schwarze Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Rupert musste seine suggestiven Fähigkeiten einsetzen, um Schlimmeres zu verhindern. Langsam beruhigte sich das Pferd und hielt unter Ruperts sanftem Streicheln still.
    Trotz Clemens’ inständiger Bitten hatte Rupert sich geweigert, dass der Junge ihn auf diese Reise begleitete. Er hatte ihm ein wenig Geld, den größten Teil der ärztlichen Instrumente, das Schwein und das kleine Haus samt Einrichtung überlassen, damit Clemens sich eine Existenz aufbauen konnte. Mit dem Wissen, das er bei Rupert erlangt hatte, war er vielen abendländischen Heilkundigen überlegen. Rupert war sich sicher, dass der Junge seinen Weg auch ohne ihn machen würde.
    Der Abschied verlief völlig emotionslos, zumindest von Ruperts Seite. Er hasste Sentimentalitäten. So verließ er mit großen Schritten und ohne sich umzusehen das Haus. Die Tränen des Jungen übersah er geflissentlich.
    Rupert wandte sich ab, um über das Meer zu blicken. Im Dunst verschwamm die Küstenlinie zu einem graubraunen Strich. Er starrte auf die aus dem Meer auftauchende Küste und überlegte, wieso das Land scheinbar hinter dem Horizont aufstieg, als wäre es im Meer versunken.
    Der Kapitän blickte auf die schwarze Gestalt, die oft stundenlang weit vorn auf dem Vordeck hockte und auf das Meer hinausschaute.
    »Mir ist der Kerl unheimlich«, sagte er mit unbehaglicher Stimme zu Richard.
    »Er ist ungewöhnlich«, erwiderte Richard mit leisem Lächeln. Er dachte an de Cazevilles respektlose Antworten. Jedem anderen hätte Richard einen gastlichen Platz im tiefsten Verlies dafür angedroht. Bei diesem Mann jedoch war es anders. Nicht, dass er ihn fürchtete wie die meisten seiner Männer, nicht, dass er ihm misstraute wie die meisten seiner Vertrauten. Etwas Unerklärliches zog Richard zu diesem Mann hin. Waren es sein scharfer Verstand und sein wacher Geist, waren es sein fast unheimliches Wissen und Können um den menschlichen Körper oder war es seine fast ketzerische Weltanschauung? Er bewunderte ihn, respektierte ihn – und liebte ihn auf eine für ihn selbst unverständliche Weise. Es war keine körperliche Vertrautheit, es war etwas im Geist dieses Mannes, das ihn fesselte.
    Rupert strich über das runde Hinterteil des Pferdes, das sich gleich darauf beruhigte. Ein Pferdeknecht, der die Rösser der Ritter betreute, stand auf der anderen Seite und bestrich die Blessur mit einer Heilsalbe. Sein blonder Struwwelkopf verschwand hinter dem mächtigen Hinterteil des Pferdes und Rupert, der über einen Kopf größer war als der Knecht, musste sich trotzdem auf die Zehenspitzen stellen, um ihn zu sehen. »Streich nicht zu dick drauf, wiederhole es lieber nach einiger Zeit noch einmal«, wies er den Jungen an.
    »Geht schon in Ordnung, Herr«, erwiderte dieser.
    Rupert ließ sich wieder auf die Fersen nieder und der Blondschopf des Jungen verschwand hinter dem Pferdehintern. Einen Augenblick stutzte Rupert. Noch einmal erhob er sich auf die Zehenspitzen und spähte über die runde Kruppe des Pferdes. Er erblickte den Kopf des Knechtes, der immer noch sorgfältig die Wunde bearbeitete. Als sich Rupert zurückfallen ließ, konnte er ihn nicht mehr sehen. Er wiederholte das mehrere Male und rieb sich dann nachdenklich das Kinn. Der Kopf des Jungen tauchte hinter dem Pferd auf wie das Land aus dem Meer. Doch das Hinterteil des Pferdes war rund!
    Sein Gesicht erstarrte zur Maske wie immer, wenn ihm Gedanken durch den Kopf gingen, die ganz und gar von dem abwichen, wie sie hätten sein müssen.
    Richard hatte ihn beobachtet. »Ist etwas nicht in Ordnung mit dem Pferd?«, wollte er wissen. »Oder was interessiert Euch so an einem Pferdehintern?«
    Für einen Augenblick starrte Rupert ihn an, dass es Richard fröstelte. »Der Hintern dieses Pferdes hat gerade das Weltbild auf den Kopf gestellt«, sagte er nur und verzog sich auf das Vorderdeck.
    »Und ich sage Euch, mit dem stimmt was nicht! Vielleicht macht er’s mit Tieren? So seltsam, wie er aussieht…« Der Kapitän beugte sich zu Richard und schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich gäbe was dafür, wenn er nicht auf meinem Schiff wäre.«
    »Er ist auf meinen Wunsch hier, das Schiff ist in Fahrt, die Mannschaft wohlauf, also unkt nicht herum.« Richard verschränkte die Arme über der Brust. »Er ist uns nur um einiges voraus im Denken.« Er schaute sich um und betrachtete mit weichem Blick seinen Freund Cunningham, der auf einer aufgespannten Segelplane hockte und sein bleiches Gesicht in die Sonne hielt.

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