Der schwarze Magier
»Wusste ich es doch, de Cazeville! Ihr sucht die Einsamkeit der Vergangenheit. Ich bewundere die Menschen, die das alles hier erschaffen haben.« Sie folgten einer marmorgepflasterten Straße, die alles in allem eine Länge von achtzig Meilen aufwies. An einem Schloss mit Namen Leicum verweilten sie, um sich an dessen zeitloser Schönheit zu erfreuen. »Wusstet Ihr, dass es hier in der Nähe eine Höhle gibt, durch die man von überall das Silber nach Rom brachte? Die Römer waren sehr bedeutende Baumeister und scheinen für die Ewigkeit gebaut zu haben.«
»Was aber nichts daran änderte, dass ihr Imperium zusammenbrach«, erwiderte Rupert. »Der Ruhm ist vergänglich und die Namen ihrer Kaiser Schall und Rauch.«
»Ihre Straßen sind es nicht«, scherzte Richard. »Vielleicht sollten wir von dem Wissen der Römer viel mehr profitieren. Sie waren großartige Krieger, Eroberer und Baumeister. Es ist unsere eigene Vermessenheit, über die Leistungen unserer Vorfahren zu spotten.«
Rupert schwieg. Er hielt sein Pferd an Richards Seite und spürte dessen Aura. Dieser König mit dem rotblonden Haar und dem Mut eines Löwen war bereits zu Lebzeiten eine Legende. Körperlich und geistig gleichsam gewandt, schien er berufen, seinen Namen unsterblich zu machen. Doch Rupert sah noch etwas anderes. Es war eine Waage, die wie im Sturm pendelte, mal zur einen, mal zur anderen Seite ausschlug.
Die Landschaft war lieblich, ein sanfter, kühler Wind wehte vom Meer her und Zypressen und Pinien beschatteten die alte römische Straße, der sie folgten. »Jetzt kann ich verstehen, warum die reichen Römer ihre Sommerpaläste hier im Süden gebaut haben. Es muss der Vorhof zum Paradies sein«, schwärmte Richard. Er gewann der Zeitverzögerung durch den Landweg durchaus die angenehme Seite ab.
Die Lager, die Abend für Abend aufgeschlagen wurden, waren einfach und ohne Komfort. Die Wagen wurden im Kreis aufgestellt, Wachen eingeteilt. Die meisten Soldaten lagerten im Freien, Feuer erhellten den gesamten Platz. Etwas abseits erholten sich die Pferde, ebenso streng bewacht wie die Wagen mit den Nahrungsvorräten. Wasser gab es in diesem Landstrich zur Genüge, sodass Pferde und Nutzvieh getränkt, Essen gekocht und Wäsche gewaschen werden konnte. Zu diesem Zweck wurde der Tross von unzähligen Frauen begleitet, deren Aufgabe es war, die Wäsche der Soldaten zu waschen, die aber auch gern andere Dienste versahen. So gab es abends genug Kurzweil. Singen, Lachen, Kreischen und lustvolles Stöhnen drang aus jedem Winkel der Wagenburgen.
Der König, die Ritter, Barone, Grafen und Geistliche besaßen besondere Privilegien. Sie wohnten in Zelten, die jeden Abend eigens für sie aufgebaut wurden, hatten ihre eigenen Diener und gewannen dem christlichen Soldatenleben durchaus angenehme Seiten ab. Besonders beliebt waren Brettspiele, sowohl bei den einfachen Soldaten wie auch beim Adel. Während üblicherweise das Feld für das Neun-Männer-Spiel in den Sand geritzt wurde und blanke Kiesel als Spielsteine dienten, trugen die Edlen in Richards Zug bemalte Holzbretter in ihrem Gepäck, die Spielsteine bestanden aus graviertem Kupfer oder Silber, die Würfel aus Knochen oder Elfenbein. Es gab auch andere Spiele, die mit bunten Steinen Pferderennen oder Kriegsspiele nachgestalteten. Aber nur die Adligen durften um Geld spielen. Trotzdem gab es auch unter den Fußsoldaten arge Raufereien, wenn sich die Spieler nicht einig wurden.
Rupert kannte die Spiele aus seinen Kindertagen, er hatte oft mit Alice gespielt, bis diese keine Lust mehr hatte, weil Rupert stets gewann. Die logischen Denkübungen bereiteten ihm Freude, doch bald schon stellte er fest, dass er die nächsten Züge seines Gegenspielers voraussah. Es bereitete ihm keine Mühe, jeden Herausforderer zu schlagen. Da es keine ebenbürtigen Gegenspieler für ihn mehr gab, ließ er das Spielen sein.
»Kommt in mein Zelt, de Cazeville, und spielt mit uns«, rief Richard ihm fröhlich zu.
»Ich brauche kein Geld mehr«, erwiderte Rupert und spielte darauf an, dass er ständig gegen die Ritter des Königs im Würfelspiel gewonnen hatte. Die Ritter hatten ihn bezichtigt, falsch zu spielen, und ihn vor den König gezerrt, damit dieser richten solle. Nur den Rittern war es erlaubt, um Geld zu spielen, doch Richard setzte de Cazeville im Stande seinen Rittern gleich, sehr zu deren Verdruss. Was den Vorwurf des Falschspiels betraf, so konnte er schnell entkräftet werden. Rupert hatte keine
Weitere Kostenlose Bücher