Der schwarze Magier
blickten unstet, er vermied Ruperts Blickkontakt.
Was war Richard eigentlich, ein genialer Feldherr, ein charismatischer König, ein verantwortungsloser Abenteurer, ein gewissenloser Wirrkopf? Wahrscheinlich von allem etwas.
»Die Kreuzritter wollen es«, widersprach Rupert. »Doch was wollt Ihr? Ägypten?«
Der König wurde blass. »Um Gottes willen, de Cazeville, schweigt! Wenn dies den Baronen und dem Heeresrat bekannt wird…«
»Ist es Diplomatie oder Hinterlist?«
»Politik, de Cazeville.«
Zuversichtlich setzte sich Richard am Morgen des nächsten Tages an die Spitze seines Heeres. Vor ihnen lagen das lang gestreckte Judäa-Gebirge und Jerusalem. Hinter ihnen verließ Hugo von Burgund den Zug mit einer großen Zahl französischer Ritter und Soldaten und kehrte nach Akkon zurück.
Die Zeit des Marsches und des Aufenthaltes in Jaffa hatte Rupert genutzt, um sich Onfroy von Toron zu nähern. Onfroy war der unglücklich geschiedene Gatte von Isabella, der Schwester Sybilles, der Königin von Jerusalem. Obwohl Isabella den außerordentlich gut aussehenden Onfroy über alles liebte, wurde sie auf Druck der ortsansässigen Barone gezwungen, sich von ihm scheiden zu lassen und stattdessen Konrad von Montferrat zu heiraten, der sich seitdem sehr zum Zorne Guy de Lusignans als rechtmäßiger König von Jerusalem bezeichnete. Der Papst hatte Isabella aus diesem Grund exkommuniziert, aber Konrad störte dies keineswegs. Die Aussicht auf das zu erobernde Königreich war ihm wichtiger als die sich nach Onfroy in Liebe verzehrende Isabella. Verlierer dieser schlimmen Intrigen war Onfroy von Toron.
Doch nicht aus diesem Grund suchte Rupert die Nähe des Mannes. Richard, dem dies nicht entgangen war, zeigte sich in einer geradezu kindischen Eifersucht gegenüber Onfroy. Rupert schien es nicht zu bemerken. Onfroy von Toron hatte einen unschätzbaren Vorteil, er war in Palästina geboren und sprach Arabisch wie ein einheimischer Beduine. Zudem war er gebildet und intelligent. Richard setzte ihn häufig als Dolmetscher und Vermittler ein, wenn sie bei den Beduinenfürsten Nahrungsmittel, Lasttiere oder Wasser kaufen wollten.
Onfroy war nicht abgeneigt, Rupert das Arabische beizubringen, und Rupert zeigte sich erstaunlich gelehrig. »Aber bildet Euch nicht ein, dass Ihr eine der seltsam verschleierten Frauen der Heiden damit beeindrucken könnt«, meinte Onfroy lachend. »Sie sind keusch und verstecken sich vor Fremden hinter Teppichen und Vorhängen. Vielleicht sind sie abgrundhässlich, dass sie sich so verhüllen müssen.«
»Es wäre einen Versuch wert, dieses Geheimnis zu lüften.«
»Hütet Euch, de Cazeville, wenn Ihr nicht einen Damaszenerdolch zwischen Euren Rippen spüren wollt. Haben wir nicht genug lockeres Weibsvolk in Begleitung unseres Zuges?«
»Der König sieht es nicht gern, wenn die Huren die Soldaten von ihrer Bestimmung ablenken.«
»Und Ihr hört auf den König?«, spottete Onfroy.
»Nein, auf die Warnung meiner Lenden. Leider kann ich mir diese kleinen genähten Schutzhäubchen aus Tierdarm nicht leisten, um mich nicht mit den Krankheiten des Lasters anzustecken.«
Die alte Pilgerstraße von Jaffa nach Jerusalem befand sich in einem schlechten Zustand, und als der Winter mit Regen und Kälte über sie hereinbrach, verwandelte sich der Weg in einen unzugänglichen Morast. Der Regen fiel in Sturzbächen, Sturm knickte die Zeltpfähle. Nur mühsam kam der Zug vorwärts. Die Vorräte an Zwieback und Schweinefleisch waren durch den Regen verdorben, viele Pferde an Kälte und Futtermangel verendet und die Soldaten litten an Husten, Schnupfen und Erschöpfung.
Das Jahr 1192 war gerade drei Tage alt, als die erschöpfte Armee Richards die Hügel vor Jerusalem erreichte. In der Nähe der Festung Beit Nuba, wenige Meilen vor den Toren Jerusalems, schlugen sie das Lager auf. Richard selbst jedoch schwang sich wieder auf sein Pferd und ritt völlig allein und ohne Schutz in Richtung der Heiligen Stadt. Trieb ihn maßlose Selbstüberschätzung, Sorglosigkeit oder Verzweiflung zu dieser Torheit, vor den Augen des Feindes herumzuspazieren?
Saladin hatte sich mit einem Teil seines Heeres nach Jerusalem zurückgezogen. El-Adil persönlich ließ die Mauern und Wehranlagen der Stadt verstärken. Die Zeichen standen nach wie vor auf Krieg.
Am Berg der Freude saß der König ab und stieg zu Fuß den Hügel hinauf. Unter den Pilgern war es seit jeher üblich, an dieser Stelle zu beten, weil man
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