Der schwarze Magier
von hier aus den Tempel und das Grab erkennen konnte.
Richard stand auf dem Hügel und blickte auf das Ziel all seines Strebens – Jerusalem. Majestätisch lag die Stadt vor ihm. So sieht es also aus, das Zentrum der Welt, dachte Richard. Er spürte, dass er nicht allein war. »Sie ist wirklich golden«, sagte er laut, ohne sich umzudrehen.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter und er wunderte sich über die ungewohnte Vertraulichkeit. Er spürte, dass er Ruperts Kraft jetzt dringend benötigte.
»Da liegt sie mir nun zu Füßen, die Goldene Stadt, die Ewige Stadt, die Stadt Davids. Hier wollte Abraham seinen Sohn Isaak opfern, hier baute der weise Salomon seinen Tempel, hier wandelte Jesus in seinen letzten Tagen auf Erden. Die Stätte des letzten Abendmahls, der Kreuzigung, der Auferstehung…« Richard schien in religiöse Verzückung geraten zu sein.
Rupert zog seine Hand von Richards Schulter zurück. Der König kam sofort zur Besinnung und blickte sich um. Um seinen Mund spielte ein verlegenes Lächeln. »Es steht einem König nicht zu, rührselig zu werden«, entschuldigte er sich.
Ruperts Gesicht blieb unbeweglich. »Al Quds, die Heilige Stadt der Moslems, wo Mohammed zu Pferd in den Himmel aufstieg«, setzte er Richards Monolog fort.
Richard schnaufte und reckte zornig sein Kinn vor. Sein gestutzter Bart leuchtete wie der goldene Schnabel eines Habichts. »Ganz recht, Ihr erinnert mich an den eigentlichen Grund unseres Hierseins. Vor einhundert Jahren befreiten die Christen diese Stadt von den verdammten Muselmanen und jetzt werden wir es wieder tun.« Anklagend wies er auf die Kuppel der Al-Aqsa-Moschee, auf die zahlreichen Minarette und den gewaltigen Felsendom des Kalifen Malik Ibn Marwa.
Ruperts Mundwinkel verzogen sich spöttisch nach unten. »Nur zu, Sire, die Mauern dieser Stadt liegen in Trümmern. Erobert sie zurück und verbreitet das Christentum mit Feuer und Schwert, wie es die Heilige Kirche fordert. Ihr habt Sultan Saladin doch sehr augenfällig Eure Stärke bewiesen. Dort ist er.« Er wies mit dem Kopf nach Jerusalem. »Wollt Ihr nicht sein Haupt auf einem silbernen Tablett sehen?« Richards Gesicht lief zornesrot an, doch es schien Rupert nicht zu beeindrucken. »Yerushalayim ist das hebräische Wort für Ort des Friedens. Nun denn, tut das, was Ihr Frieden nennt.«
Als Rupert sich zum König umwandte, stand Richard mit aschgrauem Gesicht da und wirkte um Jahre gealtert. »Ihr braucht kein Krieger zu sein, um zu wissen, dass ich mit diesem armseligen Haufen da unten keine Chance habe. Ich wollte niemals hierher!« Als Rupert schwieg, fuhr er fort: »Selbst wenn ich die Stadt erobere, könnte ich sie nicht halten. Wie soll ich sie gegen nachrückende Feinde verteidigen? Wie soll ich die lebenswichtige Verbindung zum Meer erhalten? Wie viele der Kreuzfahrer würden hier bleiben? Wenn sie ihrer Pilgerpflicht genügt haben, werden sie nach Europa zurückkehren. Sie haben mich gedrängt, Jerusalem zu erobern, die weisen Templer, die würdigen Johanniter; aber sie wollten es nicht meinetwegen!«
Sein Blick vermied die Richtung seines Lagers. Langsam ging er in die Hocke und ließ sich auf einem Felsblock nieder. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen und das Zucken seiner Schultern verriet ein unterdrücktes Schluchzen.
»Sie wissen, dass es sinnlos ist.« Rupert lag es fern, den König zu trösten. Doch er wartete geduldig, bis Richard sich wieder gefasst hatte. Aus geröteten Augen blickte der König zu ihm auf.
»Es tut einem König nicht gut, das Gesicht zu verlieren«, sagte er mühsam. Dann erhob er sich plötzlich. »De Cazeville, Ihr seid nicht nur mein Arzt und Berater, sondern auch mein Freund.«
Ruperts Augenbrauen zuckten in die Höhe. »Bin ich das?«
Richard packte seine Schultern mit festem Griff und zog ihn zu sich heran. »Ihr müsst etwas für mich tun, das mir verwehrt bleibt.«
»So?«
»Geht nach Jerusalem, als Pilger verkleidet, und betet für mich am Grab Jesu. Diesen Wunsch könnt Ihr mir nicht verwehren.«
Rupert stockte der Atem. »Ich bin kein Christ«, knurrte er ungehalten.
»Aber mein Freund, oder wollt Ihr das auch bestreiten?« Richard blickte Rupert eindringlich in die Augen. Rupert hielt diesem Blick stand, doch er fühlte sich unbehaglich.
Für ihn gab es das Wort Freundschaft nicht. Wer Freund war, konnte im nächsten Augenblick schon Feind sein. Auch Richard und Philipp hatten sich einst Freundschaft geschworen, die nie eine war.
»Ich
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