Der Schwarze Mandarin
Fa?« fragte er.
»Ein Arzt, der sich mein Freund nennt. Ich konnte mich nicht wehren.«
»Ein Anruf bei mir, und ›Pfirsichblüte‹ wäre zu dir gekommen. Sie würde dich schneller gesund machen. Sie hätte dich mit ihrem Körper behandelt. Bai Juan Fa, begreife es doch endlich: Du bist unser Bruder, und für einen Bruder tun wir alles. Ihr mögt gute Ärzte haben, aber sie sind dumm gegen unsere chinesische Naturmedizin. Dazu gehört auch die Hingabe. Ein warmer Körper heilt besser als alle Salben, Pillen und Kräuter. Unsere Kaiser wußten das und hielten sich Hunderte Konkubinen für ihre Gesundheit. Soll ich Pfirsichblüte kommen lassen?«
»Schwester Irene wird sie erdolchen! Oder vergiften.«
»Dann beim nächsten Mal.« Min Ju klopfte Rathenow auf die Schulter. »Vertraue uns doch. Wenn du wieder krank wirst, wird Wärme dich schnell heilen.«
Er ging aus dem Zimmer, begegnete in der Eingangshalle Schwester Irene, machte eine Verbeugung vor ihr und verließ das Haus. Der Fleischberg wälzte sich nach oben.
»Ein wirklich höflicher Mann, dieser Schriftsteller«, sagte sie, als sie wieder bei Rathenow war und den Alkoholverband erneuerte. »Ein richtiger Gentleman! Ist er ein bekannter Schriftsteller?«
»Sehr bekannt«, sagte Rathenow und dachte an den vergangenen Abend im ›Lotos‹. »Mit seinen Schriften greift er ins Leben ein …«
»Er ist Ihr Freund?«
»Nicht direkt. Wir kennen uns nur geschäftlich.«
»Er spricht ein fabelhaftes Deutsch.«
»Ja, sonst könnte er sich nicht um mich kümmern.«
*
Am Abend brachte Dr. Freiburg Rathenows Auto und stieg hinauf in dessen Schlafzimmer. Rathenow saß im Bett und las in seinem Lieblingsbuch ›Der stille Don‹.
»Hau ab!« rief Rathenow sofort. »Hau bloß ab! Raus!«
»Ich will sehen, wie es dir geht.«
»Du bist das hinterhältigste Subjekt, das ich kenne.«
»Blonde Kurven wären dir lieber gewesen, ich weiß. Aber ich habe an die arme Liyun gedacht – sie betrügt man nicht mit einer Krankenschwester.«
»Du beleidigst sie, wenn du nur ihren Namen aussprichst!«
»Schwester Irene ist eine vorzügliche Köchin!«
»Das habe ich heute mittag gemerkt. Es schmeckte köstlich.«
»Was willst du mehr? Und ich nehme an, sie ist rührend um dich besorgt.«
»Ich kann nicht klagen. Betreut sie sonst wirklich nur Alte?«
»Ja. Sie ist ausgebildet in Geriatrie. Ein As, sage ich dir.«
»Die Greise müssen sich doch vorkommen wie unter stürzenden Felsen vergraben, wenn sie sich über sie beugt.«
»Hast du eine Ahnung!« Freiburg lachte aus vollem Herzen. »Was Irene mir schon alles erzählt hat!«
Rathenow tippte auf sein verbundenes Schienbein. »Wie lange kann es dauern?«
»Das weiß nicht mal der liebe Gott, jeder Körper reagiert anders.«
»Ich warte nur noch auf das Abendessen, dann will ich schlafen.«
»Ich gehe, ich gehe.« Dr. Freiburg strich Rathenow über das weiße Haar. »Kranke Männer sind eine Plage Gottes, und je klüger sie sind, um so ungenießbarer sind sie. Ein Glück, daß du so dämlich bist.« Er verließ sehr schnell das Zimmer, denn Rathenow warf mit dem dicken Buch nach ihm.
*
Aisin Ninglin saß im Büro unter dem ›Schwarzen Mandarin‹ Min Ju gegenüber. Er hatte gerade seinen Bericht beendet. Er hatte alles geschildert: den Handkantenschlag, der tödlich gewesen war, die Blendung von Yan Xiang, nur Rathenow hatte er vergessen zu erwähnen. Es schien ihm völlig unwichtig zu sein. Min Ju sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
»Was war mit Bai Juan Fa?« fragte er, als falle ihm das gerade ein.
»Er hat, wie du befohlen hast, zugesehen. Aber er ist ein Schwächling. Er wird nie ein guter Triade werden.«
»Sonst nichts?«
»Nein, Daih-Loh.«
»Du hast ihn nicht zum Zusehen zwingen müssen?«
»Er stellte sich störrisch an. Aber ich habe ihn überzeugt.«
»Indem du ihn fast zum Krüppel getreten hast.«
»So schlimm war es nicht.« Ninglin lächelte verlegen. »Er war leicht zu überzeugen.«
»Was nennst du leicht? Er fällt durch dich eine Woche lang aus.«
»Daih-Loh, er simuliert. Als er mich hindern wollte, Yans rechtes Auge zu bestrafen, habe ich ihn abgewehrt. Das ist alles.«
»Ninglin, ich war heute vormittag bei Bai Juan Fa! Ich habe seine Verletzungen gesehen. Behandelt man so einen Bruder?«
»Er ist noch nicht mein Bruder! Er ist ein Fremder, der nicht wert ist, ein Triade zu sein. Ein Weichling! Du hast es ja heute vormittag selbst gesehen. Ein Chinese hätte die Tritte
Weitere Kostenlose Bücher