Der Schwarze Mandarin
bist es!« sagte sie, als sie Rathenow erkannte.
Sie umfaßte ihre angezogenen Knie, und plötzlich wurde sie sehr ernst und schob Rathenows Hand zur Seite, der ihre Schenkel streicheln wollte. Jetzt erst fiel ihm auf, daß sie gerötete Augen hatte und ihre Lider geschwollen waren.
»Du hast geweint, Liyun? Mein Gott, was ist passiert? War jemand hier … ein Chinese?« Die Triaden, dachte er voll Schrecken. Einer, der mich beobachtet, hat mit ihr gesprochen. Ich darf sie nie mehr allein lassen. Nie mehr! »Was hat er dir erzählt?«
»Ein Chinese? Was soll er bei mir? Wieso hat er mir etwas erzählt? Hier ist niemand gewesen.«
Rathenow atmete auf. Doch die Angst blieb.
»Aber du hast geweint …«
»Nein.«
»Deine Augen sind geschwollen.«
»Die Sonne … Ich habe zu lange in der Sonne gelegen.«
»Niang Niang, sag mir die Wahrheit!«
Sie wandte den Kopf zur Seite und starrte in die Blütenbüsche.
»Ich habe aufgeräumt … unser … Schlafzimmer. Bevor die Putzfrau kommt und Schlechtes denkt.« Sie holte Luft und fragte dann laut: »In deinem Schrank hängen Frauenkleider, in einer Schublade liegen BHs und Schlüpfer, Strümpfe und Strumpfhalter. Wem gehören sie?«
»Franziska Wellenbruch.«
»Wer ist das?«
»Frag: Wer war das? Eine gute Bekannte.«
»Deine Geliebte? Deine letzte Geliebte? Sie hat bei dir gewohnt?«
»Ab und zu …«
»Ab und zu – dann hat man keinen Schrank voller Kleider und Blusen und BHs und Schlüpfer.«
»Sie wollte alles schon vor ein paar Tagen abholen lassen. Es ist vorbei …«
»Wann ist es vorbei?« Liyuns Stimme wurde lauter. »Wann war sie zum letztenmal bei dir im Bett?«
»Wir haben uns am Donnerstag getrennt.«
»Zwei Tage, bevor ich nach München gekommen bin! Bis dahin hast du mit ihr geschlafen!«
»Ich habe mich sofort zurückgezogen, als du mich angerufen hast.«
Er wollte ihren Rücken streicheln, aber sie zuckte zusammen. »Laß das!« Am Schwanken ihrer Stimme erkannte er, daß sie dem Weinen nahe war. »Du hast die ganze Zeit mit ihr geschlafen!«
»Was heißt die ganze Zeit?«
»Von deiner Rückkehr aus Kunming an – oder sogar früher. Du hast zu mir gesagt: Ich habe dich geliebt vom ersten Tag an … alles Lüge. Du hast weiter deine Geliebte im Bett gehabt.«
»Ich habe Franziska erst viel später kennengelernt. Als ich nichts mehr von dir hörte, als ich mir darüber klar war, daß du nicht kommen würdest, nicht kommen wolltest. Ich ahnte doch nicht, daß meine Anträge verlorengegangen waren. Ich nahm an: Liyun will nicht.«
»Und da hast du einfach eine andere Frau geliebt? Wie kannst du sagen: ›Ich habe dich immer geliebt‹ und liegst mit einer anderen Frau im Bett? Kann man zwei Frauen zugleich lieben?«
»Ich war einsam, Liyun, schrecklich einsam.«
»Ich auch! Aber ich habe keinen anderen Mann in dieser Zeit geliebt … und es hätte Hunderte von Gelegenheiten dazu gegeben.«
»Das glaube ich.«
»Ich habe alle abgewehrt … aber du hast dir eine Geliebte genommen. So eine mit großen Brüsten!«
»Wer sagt das?«
»Die BHs sind groß genug! Dagegen komme ich nicht an. Meine Brüste sind klein.«
»Sie sind wunderbar.«
Sie drehte sich zu Rathenow um, legte die Hände vor ihre kaum bedeckten Brüste und funkelte ihn mit Tränen in den Augen an.
»Du hast mich betrogen!«
»Du warst über 10.000 Kilometer weit weg. Und zwischen dir und mir herrschte Schweigen.«
»Das ist keine Entschuldigung. Ich liebe dich …«
»Wie konnte ich das wissen? Du hast es mir nie gezeigt. Du warst immer zurückhaltend. Die freundliche Fremdenführerin, mehr nicht.«
»Du hättest mich fragen können.«
»Um mich von dir auslachen zu lassen.«
»Ich habe dir das Bai-Mädchen mit den drei Tauben geschenkt. War das nicht deutlich genug?«
»Ich habe das erst in München richtig erkannt.«
»Und hast dir trotzdem eine Geliebte genommen!« Sie warf den Kopf zurück. »Ich hasse dich!« sagte sie mit einer Stimme, die er noch nie bei ihr gehört hatte. »Ich hasse dich und diese Franziska. Ich fahre morgen zurück nach Saarbrücken. Sag nichts – ich fahre! Ich rufe gleich Dr. Frantzen an.«
»Niang Niang, du bist ungerecht.«
»Nenn mich nie mehr Niang Niang. Ich bin nicht deine Konkubine!«
»Du bist meine Frau …«
»Lüge! Ich bin ein Abenteuer für dich! In drei Monaten ist alles vorbei. Wenn ich zurück nach Hongkong fliege, zieht diese Franziska wieder bei dir ein! Sie braucht ihre Kleider gar nicht abzuholen. Und du
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