Der Schwarze Mandarin
hast deine großen Brüste wieder …«
»Du wirst in drei Monaten nicht zurückfliegen«, sagte Rathenow bestimmt.
»Doch! Das Visum ist dann abgelaufen.«
»Ich werde beim Ausländeramt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis beantragen.«
Liyun blickte auf den Rasen und schwieg. Ihre Hände ließ sie immer noch schützend vor ihrer Brust. Das lange Haar fiel über ihr Gesicht und verdeckte es völlig.
»Ich weiß nicht, ob das gut ist«, sagte sie, jetzt mit veränderter Stimme.
»Warum sagst du das, Liyun?« Er legte ihr die Hand auf die Schulter, und diesmal wich sie nicht vor seiner Berührung zurück. »Ich liebe dich unendlich.«
»Wenn ich bleibe, will ich nicht mehr in dem Bett schlafen, indem du mit dieser großen Brust Liebe gemacht hast. Ich könnte das nicht ertragen.«
»Wir werden im Gästezimmer schlafen.« Rathenow umfaßte ihre Schultern und wollte sie an sich ziehen, aber da stemmte sie doch ihre Arme gegen seine Brust. »Oder ich tausche die Betten um … was du willst! Die Hauptsache ist, daß du bei mir bleibst!«
»Ich schlafe in meinem Zimmer. Aus deinem Kleiderschrank kommt der Geruch dieser Frau. Ich kann ihn nicht ertragen!«
»Einverstanden. Morgen läßt Franziska bestimmt ihre Kleider holen, ich kaufe andere Matratzen, ich lüfte die Schränke, ich besprühe sie mit deinem Parfüm … zufrieden?«
»Warten wir es ab.«
»Liyun, wir haben keine Zeit mehr zum Warten. Seit zwei Tagen hat sich vieles verändert. Alles hat sich verändert.«
Ihr Blick wanderte über seinen Körper, dann weiter durch den Garten und zu dem mächtigen Haus. Die Haustür stand offen. Die Putzfrau fegte den Vorbau mit den Säulen und schielte zu ihnen herüber. Sie arbeitete seit zwölf Jahren bei Rathenow, und sie hatte in dieser Zeit viel gesehen und gehört. Bis vorige Woche hatte sie Franziska Wellenbruch als Hausfrau akzeptiert und aufgeatmet, daß endlich Ruhe in Rathenows Leben eingekehrt war. Sie mochte Franziska. Sie war immer nett und hinterließ kein Chaos wie andere Damen, die sie kannte, und als sie ihre Kleider in den Schrank gehängt hatte, war sie sich sicher, daß der Herr wirklich die Frau gefunden hatte. Eine schöne Frau.
Und jetzt saß er im Garten auf der Liege und küßte eine andere Frau. Eine Chinesin … auch das noch. Welch eine Schande! Und während sie den Eingang kehrte, überlegte sie, ob sie nach zwölf Jahren kündigen sollte, um nicht weiter diesen verwerflichen Lebenswandel ansehen zu müssen.
Sie fegte mit Empörung den Vorbau, schielte noch einmal rüber zu dem Herrn und seiner unmöglichen chinesischen Eroberung, ging dann ins Haus und knallte die Tür zu. Wenn man auch nichts sagen darf, dachte sie wütend … hören soll er es!
»Es hat sich alles verändert, weil ich hier bin?« fragte Liyun. »Weil ich Chinesin bin? Hast du schon Schwierigkeiten meinetwegen?«
»Ja und nein.«
»Also doch! Keiner mag mich!«
»Dich kennt ja noch keiner.«
»Es genügt, daß ich eine Chinesin bin. Eine Rot-Chinesin. Geboren und erzogen im Kommunismus. Das reicht ihnen. Und jetzt hast du Angst …«
»Ja, ich habe Angst.« Da sie bei dem letzten Satz aufgesprungen war, ergriff er ihre Hände und zog sie auf die Gartenliege zurück. »Nicht vor den blöden Vorurteilen … was meine Freunde oder andere Menschen denken, ist für mich das Unwichtigste überhaupt. Nein, ich habe Angst um uns.«
»Seit vorgestern?«
»Seit ich aus China zurück bin. Die Triaden …«
»Es gibt keine Triaden in Deutschland! Es gibt sie überhaupt nicht. Alles Hetze und Propagandalügen. Du hast selbst nach dem Film gestern gesagt …«
»Daß der Film verlogen ist, ja! Verlogen, weil die Wirklichkeit ganz anders ist. Brutaler, gemeiner, gefährlicher und tödlicher. Liyun, hör mir jetzt zu.« Er umklammerte ihre schmalen Hände, die schlaff in seinen lagen. »Spring nicht auf, lauf nicht weg, schrei nicht und sei stark, ganz stark! Was du gleich hörst, wird unser Leben, wird unsere Zukunft bestimmen.« Er holte tief Luft, drückte ihre Hände und begann: »Es gibt die Triaden. Hier in München und überall auf der Welt. Und ich bin einer ihrer Boten, ein Cho Hai, eine Grassandale, wie sie es nennen … und ich habe es getan, um dich zu schützen. Ich habe es nur für dich getan, weil ich dich liebe.«
Es dauerte sehr lange, bis er Liyun alles erzählt hatte, was sich in dem Jahr zugetragen hatte. Die Putzfrau war grußlos gegangen, die Sonne verblaßte, der Himmel färbte sich hellrot,
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