Der Schwarze Mandarin
hohlen Holze.
Nimm also den Fotoapparat und bringe uns die Bilder unserer Gegner. Einem Feind Mitleid zu zeigen, heißt, den eigenen Leib anbieten.« Min Ju stand auf und kam um den Tisch herum. »Ein Film ist bereits in der Kamera. Drei Ersatzfilme gibt dir Tong Fangchu, der Kellner.«
»Er kämpft auch mit gegen die Russen?« Rathenow steckte die Kamera in die Tasche.
»Alle kämpfen mit. Wir haben unseren Staat vor einer Invasion zu verteidigen, den Weltstaat der Triaden.« Mins Stimme wurde hart. »Geh und tu deine Pflicht! Wir beschützen unterdessen Wang Liyun.«
Deutlicher konnte man eine Drohung nicht aussprechen. Rathenows Hoffnung, Liyun in Deutschland besser vor der Rache der Triaden beschützen zu können, zerplatzte wie eine Seifenblase.
Ohne Abschiedsgruß verließ Rathenow den ›Schwarzen Mandarin‹. Oben im Lokal erwartete ihn der Kellner und übergab ihm drei kleine Päckchen. Die Ersatzfilme. Rathenow steckte sie zu der Kamera und sah Tong, der immer so freundlich zu ihm gewesen war und ganz vorsichtig seine innere Abscheu vor Ninglin und den ›Bestrafungen‹ ausgedrückt hatte, fragend an. Tong wich diesem Blick aus und starrte auf eine der chinesischen Laternen, die von der Decke hingen.
»Min Ju sagt, du kämpfst mit?«
»Ja, es ist meine Pflicht.«
»Und was wirst du tun?«
»Töten …«
»Auch mich?«
»Wenn du uns verrätst – ich habe den Blut-Eid geschworen. Ich muß es dann tun.«
»Obwohl ich dein Freund bin?«
»Es gibt keine Freundschaft mit einem Ungehorsamen.« Tong sah jetzt Rathenow an, und in seinem Blick lag eine Bitte. »Tu, was man dir sagt! Versuche nicht zu fliehen! Es gibt keinen Ort, wo du dich verstecken kannst. Unsere Brüder finden dich immer. Ob heute oder morgen oder in fünf Jahren … die Zeit ist unwichtig. Wichtig ist nur dein Tod. Dem kannst du nicht davonlaufen. Du hast die 36 Blut-Eide geschworen und den weißen Hahn geköpft – das Schwert ist immer über dir.«
Rathenow fuhr nicht sofort zurück nach Grünwald. Er machte einen Umweg und hielt vor dem Geschäft seines Friseurs, der jedesmal, wenn er ihn besuchte, die Augen gen Himmel hob und verzweifelt die Hände zusammenschlug. Auch diesmal zeigte er sein Entsetzen.
»Wieder nachfärben?«
»Ja. Es kommen wieder weiße Strähnen durch.«
»Seien Sie glücklich! Lassen Sie sie wachsen.«
Rathenow setzte sich in den freien Friseurstuhl und winkte energisch. »Legen Sie den Umhang um, Meister! Keine Diskussion! Es muß sein! Ich bin eben ein eitler Mensch.«
»Ich wiederhole es immer wieder: Es ist eine Schande!«
»Mag sein – aber ich liebe Blond! Anfangen!«
Seufzend begann der Friseur, Rathenows Haare zu waschen.
Nach knapp zwei Stunden stellte Rathenow seinen Wagen vor der Garage seines Hauses ab.
Liyun lag im Garten in der Sonne – in einem so winzigen Bikini, daß man eigentlich auch diese Fetzchen Stoff hätte sparen können. Zu Zeiten Maos hätte man sie sofort verhaftet, wenn sie so am Ufer eines Sees oder am Meer gelegen hätte. Sie hatte diesen Bikini in Saarbrücken gekauft und Frau Frantzen gefragt:
»Ist er nicht zu sexy?«
»Das ist die neueste Bademode«, hatte Frau Frantzen gelacht. »Kauf ihn.«
»Muß ich mich darin nicht schämen?«
»Mit deinem Figürchen nicht. Den Männern werden die Augen rausfallen.«
»In China ist das verboten.«
»Du bist jetzt in Deutschland.«
»Sind die Frauen hier alle so … so ohne Hemmungen?«
»Sie sind frei. Sie leben nach ihrem Geschmack. Niemand verbietet ihnen etwas. Und wenn sie am Strand ohne BH oder gar nackt herumgehen – keiner kümmert sich darum oder ist empört.«
»Bei uns kämen sie sofort in ein Arbeitslager. Auch auf der Straße küssen ist verboten. Ich muß mich in dem Bikini wirklich nicht schämen?«
»Bestimmt nicht.« Frau Frantzen hatte wieder gelacht und den Arm um Liyun gelegt. »Nur wenn du allein an einem Badestrand liegst: Paß auf die Männer auf! Sie sind überall gleich. Laß dich von ihren Reden nicht einwickeln … Männer sind seit der Urzeit Jäger, und ein erlegtes Wild hebt ihren Stolz. Also paß auf dich auf! Du weißt selbst, wie schön du bist.«
»Ich bin nicht schön. Ich bin nur anders. Eine Chinesin.«
»Eben das reizt die Männer.«
Und Liyun hatte den knappen Bikini gekauft.
Rathenow kam lautlos auf Zehenspitzen zu ihr, beugte sich über sie und küßte ihre kaum bedeckte Brust. Mit einem hellen Aufschrei schoß sie hoch und stieß mit den Fäusten ins Leere.
»Ach, du
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