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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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armselig plätschern und nur zwei in den blauen Himmel sprühen, verfehlt der Brunnen seinen Zweck. Um es vorwegzunehmen: Als Rathenow nach drei Wochen wieder zum Hotel kam, plätscherten die drei Fontänen noch immer vor sich hin.
    Liyun sah sich nach Rathenow um. Sie war drei Schritte voraus zu den großen Glastüren gegangen. Zwei Boys in roter Livree hielten sie auf.
    »Ich komme!« rief Rathenow ihr zu. »Was machen die Männer in den weißen Kitteln, die an der Mauer vor dem Hotel sitzen?«
    »Es sind Masseure. Blinde Masseure. Viele Chinesen lassen sich zwischendurch massieren. Das ist eine alte Tradition, genau wie die Ohrputzer.«
    »Wie wer?« fragte Rathenow verblüfft.
    »Ohrputzer. Ich zeige sie Ihnen morgen. Ein sauberer Chinese legt Wert auf freie Ohren. Auch das ist Tradition. Hören, Sehen und Riechen und du kennst die Welt, sagt einer unserer Philosophen.«
    »Ihr Chinesen habt wohl für alles einen Spruch?«
    »Die Lehren unserer Weisen sind wie Stöcke für einen mühsamen Weg. Sie begleiten uns immer, und wir stützen uns auf sie.«
    »Das haben Sie ganz zauberhaft gesagt, Liyun.«
    Sie betraten den ›Goldenen Drachen‹ und gingen zu der langen Theke der Rezeption. Dort kannte natürlich jeder die Reiseleiterin Wang Liyun. Die meisten Touristengruppen wohnten in diesem Hotel; jeden Tag brachten Busse einen Schwall von Reisenden, die meisten Taiwaner oder Japaner. Die Gruppen aus Europa hatten sich in den letzten beiden Jahren fast verdoppelt, nachdem sich China dem Tourismus geöffnet hatte. Seltener waren die Amerikaner, sie kamen oft nur als Einzelreisende und wohnten amerikatreu in dem neu gebauten Holiday Inn, mitten in der Stadt. Das hatte gerade für sie einen großen Vorteil: Vor dem Inn standen in Gruppen die Schwarzgeldhändler. Je nach Börsenlage bekam man von ihnen für einen Dollar acht oder zehn Yuan, das Doppelte des staatlichen Kurses an den Banken. Das war zwar streng verboten, aber sogar unter den Augen patrouillierender Polizisten wurden die Tauschgeschäfte abgewickelt. Man sprach natürlich nie darüber, wieviel Yuan ein cleverer Geldwechsler dem Auge des Gesetzes zahlte. In China gibt es keine Korruption – das ist die Lebensart der Kapitalisten!
    Der Empfangschef vom ›Goldenen Drachen‹ kümmerte sich persönlich um Rathenow. Er nahm den Paß entgegen und das Schreiben aus Beijing, suchte die Reservierungskarte aus einem Karteikasten und legte den Meldeblock vor. Er war in chinesischer und englischer Sprache gedruckt, die üblichen Fragen, aber als Rathenow ihn ausfüllen wollte, zog Liyun ihn zu sich herüber.
    »Das mache ich«, sagte sie und nahm einen Kugelschreiber von der Theke. Sie setzte den Namen, die Paßdaten und das Ankunftsdatum ein und blickte dann auf. »Ihre Adresse in München, Herr Rathenow?«
    »Grünwald bei München, Akazienweg 19.«
    »Wir haben in Kunming auch Akazien. Ein schöner Baum.«
    »Nur stehen am Akazienweg in München keine Akazien mehr.«
    »Warum?«
    »Irgendein Holzkäfer oder Parasit hat die Bäume krank gemacht, sie mußten gefällt werden.«
    »Das ist schade.«
    »Dafür stehen jetzt Kastanien da. Auch die sehen schön aus, vor allem, wenn sie blühen.«
    »In Kunming haben wir wenig Kastanien.« Liyun beantwortete die Fragen im Anmeldebogen und warf dann einen schnellen Blick zur Seite auf Rathenow. »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein. Meine Frau starb vor zwölf Jahren. An einer dummen Gallenblasen-Operation.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    »Sie hieß Barbara«, sagte Rathenow völlig unmotiviert. Und er ärgerte sich sofort darüber.
    »War sie eine schöne Frau?« Die Frage war Liyun unwillkürlich entschlüpft, und auch sie ärgerte sich sofort. Noch mehr regte sie auf, daß sie spürte, wie Röte in ihr Gesicht stieg.
    »Sehr schön.« Rathenow blickte auf die schwarzen, seidigen Haare neben sich. Liyun hatte den Kopf tiefer über den Meldeblock gesenkt. Ihre Verlegenheit hielt länger an, als sie sollte. Du bist so dumm, beschimpfte sie sich innerlich. Was geht dich das an? Sie machte neben der Frage einen Strich, aber sie konnte nicht verhindern, daß sie bei Rathenows ›Sehr schön‹ einen kleinen Stich in der Herzgegend spürte. Und sie zuckte zusammen, als Rathenow fortfuhr: »Sie war groß und blond, und jeder bewunderte sie. Sie, Liyun, sind genau das Gegenteil: schwarz und klein und zart, wie eine Elfe. Das darf ich doch sagen? Wenn nicht … bitte ich um Entschuldigung.«
    »Angenommen.« Sie schob den Block zu

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