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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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starrte das Mädchen an und dachte: Mein Gott, ist sie schön. Über ihr liegt der Glanz der Jugend. Leute, mit diesem Empfang bin ich sehr zufrieden. »Sie kommen vom Reisebüro CITS?« fragte er.
    »Ja. Ich begrüße Sie in Kunming. Willkommen in der Stadt des ewigen Frühlings.«
    Das klang gut einstudiert; es war die Floskel, mit der man alle Touristengruppen begrüßte.
    »Danke.« Rathenow lächelte das Mädchen an. Er meinte es ehrlich, als er sagte: »Bei so einem Empfang glaube ich an den ewigen Frühling.«
    »Der Name Kunming bedeutet ewiger Frühling.« Das klang etwas abweisend. Vorsicht, Hans … ein junges chinesisches Mädchen kann man schnell in Verlegenheit bringen. Sie ist an solche Komplimente nicht gewöhnt. »Einen Augenblick noch, Herr Rathenow. Der Chauffeur mit dem Wagen kommt sofort. Er hat dort drüben auf dem Parkplatz gewartet. Hatten Sie einen guten Flug?«
    Wieder so eine Floskel. Rathenow nickte.
    »Es war ruhig. Wir flogen über einer Wolkendecke, erst kurz vor Kunming riß der Himmel auf. Leider habe ich kaum etwas vom Land gesehen.«
    »Um so mehr werden Sie auf unserer Tour sehen.«
    »Unsere Tour? Heißt das, daß …«
    »Ja. Ich habe den Auftrag, Sie als Reiseleiterin zu begleiten. Mein Name ist Wang Liyun …«
    »Wang Liyun – ein schöner Name.«
    »Nichts Besonderes. Wang heißen Millionen bei uns.«
    Neben ihnen hielt mit knirschenden Bremsen ein Geländewagen mit Allradantrieb. Er war ziemlich neu, vor einer Stunde rundum gewaschen und glänzte weißlackiert in der Sonne. Der Fahrer stieg aus, begrüßte Rathenow auf chinesisch, griff nach den Koffern und wuchtete sie in den Gepäckraum.
    »Das ist Wen Ying, unser Fahrer«, sagte Liyun. »Er wird uns drei Wochen lang herumfahren, wie im Plan vorgesehen.«
    »Ich habe noch keinen Plan gesehen.«
    »Ich gebe ihn Ihnen im Hotel. Können wir fahren?«
    »Natürlich.«
    »Sie wollen keine Fotos machen?«
    »Von diesem alten Flughafen?«
    »Die meisten Touristen fotografieren alles, sogar auf den Boden spuckende Männer.«
    »Das wäre ein Motiv … aber ich sehe keinen Spuckenden.«
    Es war der Augenblick, da Liyun zum erstenmal lachte. Ihr mädchenhaftes Gesicht verzog sich, in den Augenwinkeln und neben der Nase erschienen winzige Lachfältchen. Die Augen sprühten Fröhlichkeit … sie sah hinreißend aus.
    Rathenow stieg hinten in den Wagen ein, Liyun setzte sich neben Wen Ying, den Fahrer. Sie warf ihre langen, zusammengebundenen Haare über die Schulter, und Rathenow sah, daß ihre Fingernägel diskret mit farblosem Lack überzogen waren. Ich bin jetzt das drittemal in China, dachte er. Aber solch ein zauberhaftes Geschöpf habe ich bisher noch nicht gesehen. Bisher habe ich immer behauptet, die schönsten Mädchen würden in Singapur leben, aber diese Liyun ist noch viel schöner.
    Er lehnte sich zurück, blickte aus dem Fenster auf die Menschenmassen, auf die vom Verkehr total verstopften Straßen und sagte zu sich: Hans, du bist ein Idiot! Denk an etwas anderes! Denk daran, daß du die Naxis besuchen willst und die Mosuo, wo heute noch die Frauenherrschaft üblich ist. Das sagenhafte Matriarchat, das letzte Überbleibsel einer uralten, rätselhaften Kultur, deren Ursprung noch im dunkeln liegt. Denk an die Bai und die Miaos, an die Drei Pagoden von Dali, an die Schneeberge bei Lijiang, den geheimnisvollen Lugu-See nahe der Grenze zu Sichuan, denk an das Männerland der Yi, wo die Frauen krumm sind vom Lastentragen – und nicht an dieses Mädchen. Erstaunlich nur, wie gut Deutsch sie spricht und daß sie so jung schon eine solche Stellung hat. Reiseleiterin … wie das klingt, wenn man sie ansieht.
    Das also ist der berühmte Hans Rathenow, dachte Liyun und starrte durch die Windschutzscheibe auf das Straßengewirr. Er ist so ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt habe. Nicht eingebildet, nicht hochnäsig, nicht in den Stolz des Erfolgreichen gekleidet. Er macht einen ganz normalen Eindruck. Er ist höflich und witzig – und er ist eine auffallende Erscheinung mit den weißen Haaren, den blauen Augen, der muskulösen Figur, den breiten Schultern, den für Männer kleinen, gepflegten Händen und dem elastischen Gang. Und er hat eine schöne Stimme, die einem durch und durch geht. Und erst sein Blick, der jede Frau wie ein Pfeil trifft. Wie alt mag er sein? Seine weißen Haare sagen nichts darüber aus – er kann fünfzig oder auch sechzig sein. Nennt man so einen Mann in Europa einen schönen Mann?
    Sie senkte den

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