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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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natürlich? Zwischen Ansehen und Anfassen liegt ein himmelweiter Unterschied.
    An dem Rezeptionstresen lehnte ein schmächtiger Chinese. Er beobachtete, wie Rathenow von draußen ins Hotel kam, wie er in das russische Restaurant ging und sich setzte. Dann winkte er den Rezeptionschef zu sich und schob 20 Yuan über den Tisch.
    »Wer ist der Fremde?« fragte er.
    »Welcher?«
    »Der große mit den weißen Haaren.«
    »Ein VIP-Gast, Herr Cheng. Aus Deutschland. Mit Empfehlungen vom Kulturministerium in Beijing. Ein ganz wichtiger Gast.«
    »Wie lange bleibt er?«
    »Nur eine Nacht. Er wird morgen nach Dali fahren.«
    »Name?«
    »Dr. Hans Rathenow. Aus München.«
    »Ein verrückter Name. Man kann ihn kaum aussprechen.« Cheng Zhaoming nickte dem Empfangschef zu, er schien im Hotel bekannt zu sein. Wer kannte Cheng nicht? Er war ein guter Gast an der Bar und oft im ›Goldenen Drachen‹.
    »Was ist er von Beruf?«
    »Er ist Ethnologe und schreibt Bücher über seine Reisen. So steht es in dem Schreiben aus Beijing. Jeder, der mit ihm bekannt wird, soll ihm helfen. Ein wirklich wichtiger Mann.«
    »Ich danke dir, Danzhai.«
    Cheng stieß sich von der Theke ab, ging hinüber zu einem der in der Halle hängenden Wandtelefone und nahm den Hörer ab. Dann wählte er eine Nummer und wartete, bis sich der Angerufene meldete.
    »Hier ist Cheng Zhaoming«, sagte er mit verhaltener Stimme. »Herr Shen, ich glaube, ich habe einen interessanten Mann entdeckt. Ein Deutscher. Ein Reiseschriftsteller und Gelehrter. Reist als Gast des Kulturministeriums herum, mit einem persönlichen Schreiben des Ministers. Er könnte uns sehr nützlich sein …«
    »Kümmere dich um ihn und berichte mir dann.« Shen Jiafus Stimme klang etwas zweifelnd. »Das ist mir zu heiß. Ich werde mit Kewei Tuo darüber sprechen. Auf jeden Fall: Versucht alles über ihn herauszubekommen, was man von ihm weiß. So was wie mit dem Engländer darf nicht noch einmal passieren. Kewei Tuo mußte um sein Gesicht kämpfen. Das vergißt er nicht so schnell …«
    »Ich werde mich bemühen, den Großen Rat zufriedenzustellen.«
    Cheng hängte ein und ging hinüber ins russische Restaurant. Er setzte sich an einen Tisch in der Nähe von Rathenow, bestellte ein Bier und eine Nudelsuppe mit Hühnerfleisch und sah sich den weißhaarigen Herrn genauer an. Das wäre ein Mitarbeiter, dachte er. Seriöser und unauffälliger kann keiner sein – ein Mann, der großes Vertrauen einflößt. Ein Mann, der ohne Einschränkung glaubwürdig erscheint. Ein Mann, dem man alles glaubt. Shen Jiafu, wenn es gelingt, ihn an unsere Brust zu drücken, sind wir wie Fischer, die den größten Fisch im See gefangen haben, den es jemals dort gab. Aber freuen wir uns nur verhalten … die Entscheidung wird Kewei Tuo allein treffen.
    Rathenow blätterte wieder in dem Reiseplan, während er seinen Borschtsch löffelte. Es war kein Borschtsch, wie er ihn in Moskau gegessen hatte, aber er schmeckte trotzdem gut.
    Cheng beobachtete Rathenow und hätte zu gern gewußt, was in den Papieren stand. Aber es war zu auffällig, wenn er sich an seinen Tisch setzte – es waren noch viele Tische frei. So wartete er, bis Rathenow aufstand, die Rechnung unterschrieb, die Papiere zusammenraffte und zum Lift ging.
    Cheng bezahlte schnell und folgte ihm. Aber er kam einen Augenblick zu spät; der Lift schloß sich gerade, aber er sah, daß er im vierten Stockwerk hielt. Ärgerlich ging er zur Rezeption zurück. Danzhai, der Empfangschef, sah ihn mürrisch an.
    »Wann soll Herr Rathenow geweckt werden?« fragte Cheng.
    »Was geht das Sie an, Herr Cheng?« erwiderte Danzhai abweisend.
    »Ich habe dir 20 Yuan gegeben.« Cheng lächelte, aber es war ein böses Lächeln. »Dafür solltest du höflicher sein. Also … wann?«
    »Um sieben Uhr.«
    »So früh?«
    »Ich habe dir gesagt, sie wollen nach Dali.«
    »Sie? Wer ist sie? Wer begleitet ihn? Jemand von CITS?«
    »Ja. Wang Liyun.«
    »Ein Mädchen?« Cheng blickte Danzhai zweifelnd an. »Du belügst mich, mein Freund. Einen so wichtigen Mann wird Cai Qiang selbst begleiten.«
    »Liyun hat mit ihm aber hier in der Halle und im Café verhandelt.«
    »Das junge Mädchen, das bei ihm saß – das war Wang Liyun?«
    »Das war sie.«
    Cheng ließ sich überzeugen. Er war sogar sehr zufrieden mit der Auskunft. Auch Shen Jiafu würde diese Freude mit ihm teilen … ein Europäer, der drei Wochen lang mit einer so hübschen Chinesin unterwegs ist, wird wie warmes Wachs zu

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