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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kann verstehen, wenn man Schweine wie Sie in ein Straflager steckt!« sagte Rathenow, und seine vorher erregte Stimme war jetzt kalt wie Eis. »Auch wenn unsere westlichen Politiker über chinesische Methoden empört sind, hier wäre Empörung angebracht, und ich bejahe sie.«
    »Es geht nicht um Politik, Sir, es geht um die Honigwonne. Für nur 50 Yuan …«
    Rathenow legte auf. Die Nacht hatte für ihn nur noch drei Stunden. Um sieben Uhr klingelte zum sechstenmal das Telefon, aber diesmal war es die Zentrale. Eine freundliche Frauenstimme sagte: »Sieben Uhr, Sir. Guten Morgen.«
    Das ist pure Ironie, dachte Rathenow und schob sich aus dem Bett. Er kam sich vor, als habe er die halbe Nacht durchgesoffen oder wirklich die ›Vereinigung der Eisvögel‹ ausprobiert. Voller Unlust schlurfte er ins Badezimmer, duschte sich wieder, rasierte sich und streckte seinem Spiegelbild die Zunge heraus. Nachdem er sich angezogen hatte, packte er seinen Koffer.
    Statt des korrekten Anzuges von gestern trug er eine khakifarbene Baumwollhose, ein gleichfarbiges Baumwollhemd und eine weite Safarijacke mit vielen Taschen, in die er Filme für den Fotoapparat und zwei Wechselobjektive steckte. Er zog bequeme Schnürschuhe aus Rindsleder mit einer dicken Gummi-Profil-Sohle an. Darin hatte er Erfahrung. Ein fester, derber Lederschuh hatte ihm vor vier Jahren in Papua-Neuguinea das Leben gerettet, als eine Giftschlange ihm in den Fuß gebissen, aber das dicke Leder nicht hatte durchdringen können.
    Er rief bei der Rezeption an, sagte, man könne die Koffer abholen, und fuhr dann mit dem Lift nach unten in die große Hotelhalle. Es war jetzt Viertel vor acht, und er hatte kaum Zeit für ein anständiges Frühstück.
    Frühstücke wie ein König, heißt es. Rathenow wußte schon von seinen zwei vorhergehenden Reisen, daß man in China sogar wie ein Kaiser frühstückt und daß diese Mahlzeit immer warm sein muß: eine Nudel- oder Reissuppe, Dampfbrötchen – und der Tag fängt für einen Chinesen mit innerer Zufriedenheit an. Ein am Morgen gefüllter Bauch hält den Motor den ganzen Tag in Schwung, als sei ein Sonnenstrahl in die Suppe gefallen.
    Rathenow zog dennoch ein europäisches Frühstück vor.
    Er eilte in den Frühstücksraum, bestellte Kaffee und Toast und nahm sich am Büfett zwei Scheiben gekochten Schinken, dazu ein Päckchen Butter und ein Glas Orangensaft. Ihm fiel in dieser Eile nicht auf, daß Cheng Zhaoming ihm gefolgt war und an einem Nebentisch Platz nahm. Er bestellte nur eine Kanne Yunnan-Tee, diesen grünen, würzigen, belebenden Tee, den man in Kunming zu jeder Tageszeit trinkt.
    Rathenow wußte, daß man in den ärmeren Gegenden rundum sogar oft nur heißes Wasser trinkt, wenn man keinen Tee hat. Hauptsache es ist heiß. Kalten Tee trinken zu müssen, ist für einen Chinesen grauenhaft, und daß eine ›Langnase‹ sogar Eistee trinkt, ist ihm absolut unverständlich.
    Rathenow hatte gerade seine zweite Toastschnitte mit Butter beschmiert, als Liyun in das Frühstückszimmer kam. Sie setzte sich zu Rathenow an den Tisch.
    »Guten Morgen. Haben Sie gut geschlafen? Haben Sie auch geträumt?« fragte sie.
    »O Gott, diese Nacht! Zunächst bitte ich um Vergebung, daß ich nicht um acht Uhr in der Halle auf Sie warte, sondern noch beim Frühstück bin …«
    »Es kommt auf eine Viertelstunde nicht an.«
    »Diese Nacht! Fünfmal bin ich geweckt worden. Und immer waren es Mädchen, die sich für 60 Yuan zu mir ins Bett legen wollten.«
    »Ich muß mich schämen für meine Landsleute. Verzeihen Sie. Ich hätte es Ihnen gestern abend sagen sollen, ich habe es vergessen. Seitdem immer mehr Touristen zu uns kommen, sind die Hühnchen eine Plage geworden.«
    »Hühnchen?«
    »So nennen wir die Huren …«
    »Was es auch sei: China ist immer poetisch!« Rathenow lachte laut.
    »Natürlich ist Prostitution in China streng verboten und wird verfolgt. Gerade, weil sie überhandnimmt. Vor allem in den großen Hotels, in denen Ausländer und Reisegruppen wohnen, veranstaltet man häufig Razzien. Dann wird jedes Zimmer durchsucht, vor allem die Zimmer der Ausländer, und wenn die Polizei ein ›Hühnchen‹ bei einem Touristen erwischt, wird es sofort verhaftet und mitgenommen. Auch der Hotelmanager wird bestraft, aber nur mit einer hohen Geldstrafe. Das ›Hühnchen‹ aber wird in ein Arbeitslager gebracht. Meistens ist das eine Hühnerfarm …«
    »Eine Hühnerfarm?« Rathenow lachte wieder laut. »Ein ›Hühnchen‹ kommt

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