Der Schwarze Mandarin
Leutnant Luo grüßte dann immer besonders stramm, sagte: »Verzeihen Sie, Genossen!« und winkte sie weiter.
Es war eine der üblichen Kontrollen auf der Burma-Straße. War sie früher berüchtigt als Nachschubweg für die Vietkong, so war sie jetzt ebenso berüchtigt als Lebensader der Rauschgifthändler. Über diese Straße werden Heroin und Kokain geschmuggelt, Opium und eingedickter Mohnsaft, aus dem dann das Rauschgift destilliert wird.
Deshalb wird die Burma-Straße auch besonders sorgfältig kontrolliert. Auf Heroinschmuggel steht die Todesstrafe. Unwiderruflich, gnadenlos, im Schnellgerichts-Verfahren, das Urteil wird sofort vollstreckt. Die Schmuggler aus dem Goldenen Dreieck, wo die Rauschgiftbosse sitzen, unangreifbar, umgeben von einer bestens ausgebildeten Privatarmee, die sogar über Panzer und Raketenwerfer-Batterien verfügt, wissen, welches Risiko sie eingehen, wenn sie – getarnt als biedere Spediteure – ein paar Kilo der wertvollen Ware unter den anderen Gütern verstecken. Es gibt ganze, gut durchorganisierte Banden, die, schwer bewaffnet, die Burma-Straße mit eigenen Wagen befahren. Gepanzerte Lastwagen, die jedem Beschuß trotzen. Sie sind selten, aber wenn sie ihr Ziel erreichen, haben die Bosse im Goldenen Dreieck Millionen von Dollar verdient. Der alte chinesische Spruch: »Paß auf deinen Kopf auf, denn bald gehört er mir!«, schreckt sie nicht ab. Wer Heroin oder Opium nach China schmuggelt, ist bereit, sein Leben in Zahlung zu geben – allerdings nicht, ohne den Versuch zu unternehmen, sich den Weg freizuschießen.
Die Patrouille des Leutnants Luo Huanqing hatte an diesem Tage kein Glück. Die Wagen wurden offensichtlich von entgegenkommenden Lastern gewarnt. Ein Blinken mit den Scheinwerfern hieß: Genossen, ein paar hundert Meter weiter steht Militär. Ein paar Wagen bogen daraufhin in eine kleine Querstraße ein und warteten dort im Schutze des Waldes. Auch Rathenows Fahrzeug wurde angeblinkt. Wen Ying hieb auf das Lenkrad und fluchte. »O Ta Ma de!«
»Was sagte er?« fragte Rathenow. Liyun verzog den Mund.
»Oh, Scheiße! Ein Lastwagenfahrer hat uns gewarnt.«
»Vor wem?«
»Polizei- oder Militärkontrolle. Wir sind hier auf der Heroinstraße.«
»Ich hoffe, Ying hat kein Rauschgift unter dem Vogelkäfig versteckt.« Es sollte ein Witz sein, aber Liyun blieb ernst.
»Wenn sie uns anhalten, werden Sie leider unhöfliche Chinesen kennenlernen. Die Soldaten der Burmastraßen-Kontrolle sind nicht sehr höflich. Ich weiß nicht, warum.«
Ying fuhr in vermindertem Tempo weiter, um die Soldaten nicht durch eine Staubwolke zu beleidigen. Er rechnete damit, daß man seinen Wagen nicht anhielt, zumal das Firmenzeichen der CITS an die Vordertüren gemalt war. Dieses Zeichen kannte jeder – eine stilisierte Weltkugel mit drei dicken Breitengraden und darüber die Buchstaben CITS. Darunter der Name nochmals in chinesischer Schrift.
Aber Wen irrte sich.
Leutnant Luo Huanqing sah den Toyota-Geländewagen schon von weitem kommen und zog das Kinn an den Uniformkragen. Ein Geländewagen ist immer verdächtig. Mit ihm kann man querfeldein flüchten und allen Kontrollen davonfahren. Er hatte es schon einmal erlebt … ein solcher Wagen einer anderen japanischen Autofirma verließ vor der Sperre plötzlich die Straße und preschte in einem Höllentempo quer über die Felder. Sie hatten ihm hinterhergeschossen, aber nicht getroffen. Später erfuhr er, daß in Kunming 30 kg Heroin angekommen waren, aber sofort wieder verschwanden. Ein V-Mann der Polizei hatte es berichtet.
Das hatte Luo Huanqing nicht vergessen. So etwas sollte ihm nie wieder passieren. Als er nun von weitem den Toyota kommen sah, schwenkte er die Maschinenpistole vor seiner Brust und schrie seiner Truppe zu: »Anhalten! Genau durchsuchen!« Dann hob er den rechten Arm, und drei Soldaten neben ihm richteten ihre Waffen auf den heranbrausenden Wagen.
»Wenn er von der Straße fährt oder nicht anhält, sofort schießen!« brüllte Leutnant Luo. Er wedelte mit dem Arm durch die Luft und stellte sich mitten auf die Straße.
Ying bremste ab. Wieder sagte er aus voller Brust: »Oh, Scheiße!« und hielt genau zwei Meter vor Leutnant Luo. Sofort umringten die Soldaten den Wagen.
Rathenow hatte unterdessen seinen Paß aus der Jackentasche geholt und auch das Empfehlungsschreiben des Ministeriums in Beijing. Liyun kramte alle Papiere des Reisebüros aus ihrer Umhängetasche.
Mit ernster Miene trat Luo an den Wagen und
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