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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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abgeerntetes Feld hinter einem Holzpflug her, gezogen von einem dicken Wasserbüffel. Ruhig zog er seine Furchen, als sei auf der nahen Straße nichts geschehen. Wen Ying hatte sich aus dem Unkraut erhoben und schleppte seinen Vogelkäfig zurück zum Wagen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, aber er war glücklich. Seinem geliebten Vogel war nichts geschehen. Leutnant Luo kniete neben den Verwundeten und alarmierte die Kaserne von Midu.
    »Einen Sanitätswagen!« schrie er in das Funksprechgerät. »Wir haben drei Verwundete! Überfall von Drogenschmugglern in Polizeiuniform. Vier Schmuggler sind tot. Ein Wagen ist durchgekommen in Richtung Kunming! Ein Jeep sowjetischer Bauart mit vier Mann. Wir brauchen dringend einen Krankenwagen! Dringend!«
    Von dem zerstörten Jeep kamen jetzt zwei Soldaten zurück. Sie brachten drei Jutesäcke mit, einen großen Lederbeutel und zwei Koffer aus Bambusrohr. Leutnant Luos Miene hellte sich auf. Ein Teilerfolg, aber immerhin ein Erfolg. Verlust: drei Verwundete, aber dennoch ein Gewinn.
    Liyun blieb im Gras liegen und sah Rathenow stumm an. Nur ihre dunklen Mandelaugen sprachen; ihre Blicke streichelten ihn wortlos. Rathenow bemerkte es nicht – er sah hinüber auf den ruhig pflügenden Bauern, den keine Schießerei auf der Straße aus der Ruhe bringen konnte.
    Als er plötzlich zu sprechen begann, zuckte sie zusammen.
    »Ich stelle wieder einmal fest«, sagte Rathenow, »schon die beiden ersten Tage in China sind lebensgefährlich. Wenn das so weitergeht, haben wir ja noch viel vor uns …«
    »Es tut mir so leid.« Liyun senkte den Blick. »Ich bin seit drei Jahren Reiseleiterin, und nie ist etwas passiert. Was heute geschehen ist, ist einfach unvorstellbar – ausgerechnet mit Ihnen!«
    »Ich ziehe das Abenteuer auf mich wie ein Magnet die Nägel. Wo ich auch hinkomme, immer geschieht etwas. Zuletzt in Alaska. Da wohnte ich in einem Farmhaus an einem einsamen See, den man nur mit einem kleinen Wasserflugzeug erreichen konnte. Und was passiert? Beim Morgengrauen bricht ein riesiger Bär in das Haus ein, tappt in die Küche, reißt den Kühlschrank auf und frißt dem Farmer das ganze Hirschfleisch weg! Als er wieder abmarschierte, hinterließ er eine total verwüstete Küche. ›Ich lebe jetzt seit zwölf Jahren hier am See!‹ erzählte mir der Farmer. ›So etwas ist mir noch nicht passiert. Das ist der erste Bär, der bei mir einbricht.‹ Logisch – ich war ja da.«
    »Zufall …«
    »Nein. Andere Reisende kommen in fremde Länder, und es passiert gar nichts. Höchstens, daß sie mal Durchfall bekommen wegen des fremden Essens. Wenn ich in den gleichen Ländern aufkreuze, dann geschieht plötzlich etwas absolut Außergewöhnliches. Liyun –« Rathenow legte eine Hand auf ihren Oberschenkel. Sie rührte sich nicht, aber sie spürte die Berührung bis ins Innerste. Sie mußte die Augen schließen. »Es werden drei aufregende Wochen werden …«
    Von den Verwundeten kam Leutnant Luo Huanqing zu ihnen. Rathenow und Liyun erhoben sich aus dem staubigen Gras. Ying setzte den letzten Sitz in den Wagen und stellte seinen Vogelkäfig wieder neben Rathenows Koffer. Die Verletzten lagen am Straßenrand, klaglos, obwohl sie starke Schmerzen hatten. Die anderen Soldaten gaben ihnen aus Feldflaschen Tee zu trinken. Tee ist in China ein Wundermittel, er hilft sogar gegen Schmerzen.
    Luo blieb vor Rathenow stehen, griff in seine Uniformtasche, holte Rathenows Paß heraus und hielt ihn ihm hin. Rathenow starrte ihn ungläubig an.
    »Nehmen Sie ihn sofort!« sagte Liyun. »Kein Zögern!«
    Er nahm den Paß an sich und steckte ihn in eine der Taschen seiner Jacke. Luo wandte den Kopf zu Liyun, und er war freundlicher und ruhiger, als man es nach diesem Überfall erwartet hätte.
    »Übersetzen Sie, Genossin«, sagte er. »Aber genau.«
    »Ja.«
    Luo blickte Rathenow wieder an. »Da sehen Sie«, sagte er betont, »warum wir sehr mißtrauisch sein müssen. Sie haben es heute selbst erlebt. Ihr Leben war nichts wert. Wir haben in dem zerschossenen Jeep über zweihundert Pfund Heroin gefunden! Das hat einen Marktwert von mehreren Millionen Dollar.«
    »Und dabei waren es Polizisten!« entgegnete Rathenow, als Liyun übersetzt hatte.
    »Die Drogenschmuggler arbeiten mit allen Tricks. Seit neuestem tragen sie Polizeiuniformen. Erst vor einer Woche wurde uns mitgeteilt, daß die falschen Polizisten im ganzen Land immer mehr zunehmen. In 17 Provinzen wurden 96 geheime Fabriken von unserer echten

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