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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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zählst.»
      «Nur, wenn ihr als Parasiten mit euren Marken ankamt.» Eduard tänzelt um Gerda herum wie ein Mittelschullehrer, der Walzer übt.
      Gerda unterdrückt einen Lachanfall. Ich habe sie unter dem Tisch angestoßen, und sie hat sofort begriffen, was wir für Eduard in Reserve haben.
      «Knobloch!» brüllt plötzlich eine markige Kommandostim
    me.
      Eduard fährt hoch, als hätte er einen Tritt in den Hintern bekommen. Hinter ihm steht diesmal, unschuldig lächelnd, Renée de la Tour selbst. Er unterdrückt einen Fluch. «Daß ich auch immer wieder darauf reinfalle!»
      «Ägere dich nicht», sage ich. «Das ist dein treudeutsches Blut. Das edelste Vermächtnis deiner gehorsamen Vorfahren.»
      Die Damen begrüßen sich wie lächelnde Kriminalpolizisten.
      «Welch hübsches Kleid, Gerda», gurrt Renée. «Schade, daß ich so etwas nicht tragen kann! Ich bin zu dünn dazu.»
      «Das macht nichts», erwidert Gerda. «Ich fand die vorjährige Mode auch eleganter. Besonders die entzückenden Eidechsenschuhe, die du trägst. Ich liebe sie jedes Jahr mehr.»
      Ich sehe unter den Tisch. Renée trägt tatsächlich Schuhe aus Eidechsenleder. Wie Gerda das im Sitzen sehen konnte, gehört zu den ewigen Rätseln der Frau. Es ist unverständlich, daß diese Gaben des Geschlechts nie besser praktisch ausgenützt worden sind – zur Beobachtung des Feindes in Fesselballons bei der Artillerie oder für ähnliche kulturelle Zwecke.
      Willy unterbricht das Geplänkel. Er ist eine Vision in Hellgrau. Anzug, Hemd, Krawatte, Strümpfe, Wildlederhandschuhe – und darüber, wie ein Ausbruch des Vesuvs, die roten Haare. «Wein!» sagt er. «Die Totengräber zechen! Sie versaufen den Schmerz einer Familie! Bin ich eingeladen?»
      «Wir haben unseren Wein nicht an der Börse verdient, du Parasit am Volksvermögen», erwidere ich. «Trotzdem wollen wir ihn gerne mit Mademoiselle de la Tour teilen. Jeder Mensch, der Eduard erschrecken kann, ist uns willkommen.»
      Das erweckt einen Heiterkeitsausbruch bei Gerda. Sie stößt mich erneut unter dem Tisch an. Ich fühle, daß ihr Knie an meinem liegen bleibt. Wärme steigt mir in den Nacken. Wir sitzen
    plötzlich da wie Verschwörer.
      «Ihr werdet Eduard bestimmt heute auch noch erschrecken», sagt Gerda. «Wenn er mit der Rechnung kommt. Ich fühle es. Ich habe das Zweite Gesicht.»
      Alles, was sie sagt, hat wie durch einen Zauberschlag einen neuen Klang. Was ist los? denke ich. Steigt mir die Liebe schaudernd in die Schilddrüse, oder ist es eher die alte Freude, einem anderen etwas abspenstig zu machen? Der Speisesaal ist auf einmal nicht mehr eine nach Essen riechende Bude – er ist etwas, das mit ungeheurer Geschwindigkeit wie eine Schaukel durch das Universum fliegt. Ich sehe aus dem Fenster und bin erstaunt, daß die Städtische Sparkasse noch immer an derselben Stelle steht. Sie sollte, auch ohne Gerdas Knie, ohnehin längst verschwunden sein; weggewaschen von der Inflation. Aber Stein und Beton überdauern einen Haufen Menschenwerk und Menschen.
      «Ein großartiger Wein», sage ich. «Wie der erst in fünf Jahren sein wird!»
      «Älter», erklärt Willy, der nichts von Wein versteht. «Noch zwei Flaschen, Eduard!»
      «Warum zwei? Laß uns eine nach der anderen trinken.»
      «Gut! Trinkt ihr eure! Mir, Eduard, so schnell wie möglich eine Flasche Champagner!»
      Eduard schießt davon wie ein geölter Blitz. «Was ist los, Willy?» fragt Renée. «Glaubst du, du kommst um den Pelzmantel herum, wenn du mich betrunken machst?»
      «Du bekommst den Pelzmantel! Dieses jetzt hier hat einen höheren Zweck. Erzieherisch! Siehst du ihn nicht, Ludwig?»
      «Nein. Ich trinke lieber Wein als Champagner.»
      «Du siehst ihn wirklich nicht? Drüben, drei Tische hinter der Säule? Den borstigen Schweinskopf, die tückischen Hyänenaugen und die vorstehende Hühnerbrust? Den Mörder unserer
    Jugend?»
      Ich suche nach dieser zoologischen Merkwürdigkeit und entdecke sie gleich darauf. Es ist der Direktor unseres Gymnasiums, älter und ruppiger geworden, aber er ist es. Vor sieben Jahren noch hat er Willy erklärt, er würde am Galgen enden, und mir, lebenslängliches Zuchthaus sei mir sicher. Er hat uns auch bemerkt. Die roten Augen blinzeln zu uns herüber, und ich weiß jetzt, warum Willy den Sekt bestellt hat.
      «Laß den Pfropfen knallen, so laut es geht, Eduard!» befiehlt Willy.
      «Das ist nicht

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