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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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trostloser Feldwebel des deutschen Aufsatzes! Nur durch Sie sind wir zu Wüstlingen geworden! Sie allein tragen die Verantwortung für alles! Und nun schieben Sie ab, Sie Unteroffizier der Langeweile!»
      «Das ist doch –» Schimmel stottert. Er ist jetzt tomatenrot.
      «Gehen Sie nach Hause und nehmen Sie endlich einmal ein Bad, Sie Schweißfuß des Lebens!»
      Schimmel ringt nach Atem. «Die Polizei!» würgt er hervor. «Flegelige Beleidigungen – ich werde Ihnen schon –»
      «Sie werden gar nichts», erklärt Willy. «Sie glauben immer noch, wir wären Ihre Sklaven für Lebenszeit. Alles, was Sie tun werden, ist, die Verantwortung beim Jüngsten Gericht dafür zu übernehmen, daß Sie zahllosen Generationen von jungen Menschen einen Haß auf Gott und alles Gute und Schöne beigebracht haben! Ich möchte bei der Auferstehung der Toten nicht in Ihren Knochen stecken, Schimmel! Die Fußtritte, die Sie allein von unserer Klasse bekommen werden! Und dann natürlich das Pech und Feuer der Hölle hinterher! Sie können das ja so gut beschreiben!»
      Schimmel erstickt. «Sie werden von mir hören!» stößt er hervor und wendet wie eine Korvette im Sturm.
      «Schimmel!» brüllt eine markige Kommandostimme hinter ihm her.
      Renée wirkt, wie immer. Schimmel wird herumgerissen vom trauten Kommandolaut. «Was? Wie bitte? Wer –?» Seine Augen suchen die nächsten Tische ab. «Sind Sie verwandt mit dem Selbstmörder Schimmel?» zwitschert Renée.
      «Selbstmörder? Was soll denn das? Wer hat mich gerufen?»
      «Ihr Gewissen, Schimmel», sage ich.
      «Das ist doch –!»
      Ich erwarte weißen Schaum auf Schimmels Lippen. Es ist ein Genuß, diesen Meister unzähliger Anklagen endlich einmal sprachlos zu sehen. Willy trinkt ihm zu. «Auf Ihr Wohl, Sie brave Kathederhyäne! Und gehen Sie nicht mehr zu fremden Leuten an den Tisch, sie zu zensieren. Besonders nicht, wenn Damen dabei sind.»
      Schimmel entschwindet mit einem sonderbar klackenden Laut – als wäre nicht Champagner, sondern ein Selterswasserverschluß in ihm geplatzt. «Ich wußte, daß er es nicht lassen würde», sagt Willy selig.
      «Du warst erstklassig», sage ich. «Wieso kam der Geist so gewaltig über dich?»
      Willy grinst. «Diese Rede habe ich schon mindestens hundertmal gehalten! Leider immer allein, ohne Schimmel. Deshalb weiß ich sie auswendig. Prost, Kinder!»
      «Ich kann nicht!» Eduard schüttelt sich. «Schweißfuß des Lebens! Das ist ein zu grauenhafes Bild! Der Sekt schmeckt plötzlich wie eingeschlafene Füße.»
      «Das tat er vorher auch schon», sage ich geistesgegenwärtig.
      «Was für Kinder ihr seid!» erklärt Renée kopfschüttelnd.
      «Wir wollen es bleiben. Altwerden ist einfach.» Willy grinst. «Eduard, die Rechnung!»
      Eduard bringt die Rechnung. Eine für Willy, eine für uns.
      Gerdas Gesicht wird gespannt. Sie erwartet eine zweite Explosion heute. Georg und ich ziehen schweigend unsere Marken heraus und legen sie auf den Tisch. Aber Eduard explodiert nicht – er lächelt. «Macht nichts», sagt er. «Bei so einem Weinkonsum!»
      Wir sitzen enttäuscht da. Die Damen erheben sich und schütteln sich leicht, wie Hühner, die aus einer Sandgrube kommen. Willy klopf Eduard auf die Schulter.
      «Sie sind ein Kavalier! Andere Wirte hätten gejammert, daß wir ihnen einen Gast vertrieben hätten.»
      «Ich nicht.» Eduard lächelt. «Der Rohrstockschwinger hat hier noch nie eine anständige Zeche gemacht. Läßt sich nur einladen.»
      «Komm», flüstert Gerda mir zu.

    Das tabakfarbene Kleid liegt irgendwo. Die braunen Wildleder
    schuhe stehen unter dem Stuhl. Einer ist umgefallen. Das Fenster steht offen. Weinlaub hängt herein. Von unten, aus dem Altstätter Hof, kommen gedämpf die Töne des elektrischen Klaviers. Es spielt den Walzer «Die Schlittschuhläufer». Die Musik wird ab und zu von einem dumpfen Fall unterbrochen; das sind die Ringkämpferinnen, die trainieren.
      Neben dem Bett stehen zwei eiskalte Flaschen Bier. Ich öffne sie und gebe eine Gerda. «Woher bist du so braun?» frage ich.
      «Von der Sonne. Sie scheint schon seit Monaten. Hast du das nicht gemerkt?»
      «Doch. Aber im Büro kann man nicht braun werden.» Gerda lacht. «Wenn man im Nachtklub arbeitet, ist es einfacher. Man hat tagsüber frei. Wo warst du all die Zeit?»
      «Irgendwo», sage ich, und mir fällt ein, daß Isabelle mich auch immer so fragt. «Ich

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