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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Granit- und Kalksteinmuster. «Wir hatten das Geld beiseitegelegt für die Schule», sagt sie. «Es hätte jetzt längst nicht mehr gereicht – hierfür reicht es gerade noch –»

    «Ausgeschlossen!» sagt Riesenfeld. «Haben Sie denn überhaupt eine Ahnung, was schwarzer schwedischer Granit kostet? Der kommt von Schweden, junger Mann, und kann nicht mit Wechseln auf deutsche Mark bezahlt werden! Der kostet Devisen! Schwedische Kronen! Wir haben nur noch ein paar Blöcke, für Freunde! Die letzten! Sie sind wie blau weiße Diamanten. Ich gebe euch einen für den Abend mit Madame Watzek – aber zwei! Sind Sie verrückt geworden? Ebenso könnte ich von Hindenburg verlangen, daß er Kommunist würde.»
      «Welch ein Gedanke!»
      «Na also! Nehmen Sie die Rarität und versuchen Sie nicht, mehr aus mir herauszuholen als Ihr Chef. Da Sie Laufunge und Bürodirektor in einem sind, brauchen Sie sich ja nicht ums Avancement zu kümmern.»
      «Das sicher nicht. Ich tue es aus reiner Liebe zum Granit. Aus platonischer Liebe sogar. Ich will ihn nicht einmal selbst verkaufen.»
      «Nein?» fragt Riesenfeld und schenkt sich ein Glas Schnaps ein.
      «Nein», erwidere.ich. «Ich will nämlich meinen Beruf wechseln.»
      «Schon wieder?» Riesenfeld schiebt seinen Sessel so, daß er Lisas Fenster vor sich hat.
      «Dieses Mal wirklich.»
      «Zurück zur Schulmeisterei?»
      «Nein», sage ich, «soviel Einfalt habe ich nicht mehr. Soviel Einbildung auch nicht. Wissen Sie nichts für mich? Sie kommen doch viel herum.»
      «Was?» fragt Riesenfeld uninteressiert.
      «Irgend etwas in einer großen Stadt. Laufunge bei einer Zeitung meinetwegen.»
      «Bleiben Sie hier», sagt Riesenfeld. «Hier passen Sie her. Ich würde Sie vermissen. Warum wollen Sie weg?»
      «Das kann ich Ihnen nicht genau erklären. Wenn ich es könnte, wäre es nicht so notwendig. Ich weiß es auch nicht immer; nur ab und zu. Dann aber weiß ich es verdammt klar.»
      «Und jetzt wissen Sie es?»
      «Jetzt weiß ich es.»
      «Mein Gott!» sagt Riesenfeld. «Sie werden sich nochmal hierher zurücksehnen!»
      «Bestimmt. Deshalb will ich fort.»
      Riesenfeld zuckt plötzlich zusammen, als hätte er einen elektrischen Kontakt mit nassen Pfoten angefaßt. Lisa hat in ihrem Zimmer Licht gemacht und ist ans Fenster getreten. Sie scheint uns in unserm halbdunklen Büro nicht zu sehen und zieht sich gemächlich die Bluse aus. Unter der Bluse trägt sie nichts.
      Riesenfeld schnauf laut. «Himmel, Donnerschlag, was für Brüste! Darauf kann man ja glatt ein Halblitermaß Bier stellen, und das Glas würde nicht ’runterfallen!»
      «Auch ein Gedanke!» sage ich.
      Riesenfelds Augen funkeln. «Macht Frau Watzek so was dauernd?»
      «Sie ist ziemlich unbekümmert. Niemand kann sie sehen – außer uns hier, natürlich.»
      «Mensch!» sagt Riesenfeld. «Und so eine Position wollen Sie aufgeben, Sie Riesenroß?»
      «Ja», sage ich und schweige, während Riesenfeld wie ein württembergischer Indianer zum Fenster schleicht, sein Glas in einer, die Flasche Korn in der andern Hand.
      Lisa kämmt ihre Haare. «Ich wollte mal Bildhauer werden», sagt Riesenfeld, ohne einen Blick von ihr zu lassen. «Bei so was hätte es sich gelohnt! Verflucht, was man alles versäumt hat!»
      «Wollten Sie Bildhauer in Granit werden?»
      «Was hat das damit zu tun?»
      «Bei Granit werden die Modelle schneller älter, als die Kunstwerke fertig», sage ich. «Er ist so hart. Bei Ihrem Temperament hätten Sie höchstens in Ton arbeiten können. Sonst hätten Sie nur unvollendete Werke hinterlassen.»
      Riesenfeld stöhnt. Lisa hat den Rock ausgezogen, aber gleich darauf das Licht ausgedreht, um in ein anderes Zimmer zu gehen. Der Chef der Odenwald-Werke klebt noch eine Weile am Fenster, dann dreht er sich um. «Sie haben es leicht!» knurrt er. «Ihnen sitzt kein Dämon im Nacken. Höchstens ein Milchschaf.»
      «Merci», sage ich. «Bei Ihnen ist es auch kein Dämon, sondern ein Bock. Sonst noch was?»
      «Ein Brief», erklärt Riesenfeld. «Wollen Sie einen Brief von mir überbringen?»
      «Wem?»
      «Frau Watzek! Wem sonst?» – Ich schweige.
      «Ich werde mich auch nach einer Position für Sie umsehen», sagt Riesenfeld.
      Ich schweige weiter und sehe den leicht schwitzenden verhinderten Bildhauer an. Ich halte Georg die Nibelungentreue, auch wenn es mich meine Zukunf kostet.
      «Ich hätte

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