Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
dich so sinnvoll nahe dem anderen Gebäude gesetzt hat! Wahrscheinlich hat er es ohne Ironie getan, denn die besten Witze der Welt werden immer von ernsthafen Vordergrundmenschen gemacht. Immerhin – laßt uns unsere Vernunf feiern, aber nicht zu stolz auf sie sein und ihrer nicht zu sicher! Du, Isabelle, hast sie zurückbekommen, dieses Danaergeschenk, und oben sitzt Wernicke und freut sich und hat recht. Aber recht zu haben ist jedesmal ein Schritt dem Tode näher. Wer immer recht hat, ist ein schwarzer Obelisk geworden! Ein Denkmal!
      Die Flasche ist leer. Ich werfe sie fort, so weit ich kann. Sie fällt mit einem dumpfen Laut in den weichen, aufgepflügten Acker. Ich stehe auf. Ich habe genug getrunken und bin reif für die Rote Mühle. Riesenfeld gibt dort heute einen vierfachen Abschieds- und Lebensretterabend. Georg wird da sein, Lisa, und dazu komme ich, der noch ein paar Privatabschiede zu erledigen gehabt hat, und wir alle werden außerdem noch einen mächtigen allgemeinen Abschied feiern – den von der Inflation.

    Spät in der Nacht bewegen wir uns wie ein betrunkener Trauerzug die Große Straße entlang. Die spärlichen Laternen flackern. Wir haben das Jahr etwas vorzeitig zu Grabe getragen. Willy und Renée de la Tour sind zu uns gestoßen. Willy und Riesenfeld sind in einen hefigen Kampf geraten; Riesenfeld schwört auf das Ende der Inflation und auf die Roggenmark – und Willy hat erklärt, daß er dann bankrott sei, schon deshalb könne es nicht sein. Renée de la Tour ist darauf sehr schweigsam geworden.
      Durch die wehende Nacht sehen wir in der Ferne einen zweiten Zug. Er kommt die Große Straße entlang auf uns zu. «Georg», sage ich. «Wir wollen die Damen etwas zurücklassen! Das dort sieht nach Streit aus.»
      «Gemacht.»
      Wir sind in der Nähe des Neumarkts. «Wenn du siehst, daß wir unterliegen, renne sofort zum Café Matz», instruiert Georg Lisa. «Frage nach Bodo Ledderhoses Gesangverein und sag, wir brauchten ihn.» Er wendet sich zu Riesenfeld: «Sie stellen sich besser so, als gehörten Sie nicht zu uns.»
      «Du türmst, Renée», erklärt Willy an ihrer Seite. «Halte dich weit vom Schuß!»
      Der andere Zug ist herangekommen. Die Mitglieder tragen Stiefel, die große Sehnsucht des deutschen Patrioten, und sie sind, bis auf zwei, nicht älter als achtzehn bis zwanzig Jahre. Dafür sind sie doppelt so viele wie wir.
      Wir gehen aneinander vorbei. «Den roten Hund kennen wir doch!» schreit plötzlich jemand. Willys Haarkrone leuchtet auch nachts. «Und den Kahlkopf!» schreit ein zweiter und zeigt auf Georg. «Drauf!»
      «Los, Lisa!» sagt Georg.
      Wir sehen ihre wirbelnden Absätze. «Die Feiglinge wollen die Polizei holen», ruf ein semmelblonder Brillenträger und will hinter Lisa hersetzen. Willy stellt ein Bein vor, und der Semmelblonde stürzt. Gleich darauf sind wir im Gefecht.
      Wir sind fünf ohne Riesenfeld. Eigentlich nur viereinhalb. Der Halbe ist Hermann Lotz, ein Kriegskamerad, dessen linker Arm an der Schulter amputiert ist. Er ist im Café Central mit dem kleinen Köhler, einem anderen Kameraden, zu uns gestoßen. «Paß auf, Hermann, daß sie dich nicht umschmeißen!» rufe ich. «Bleib in der Mitte. Und du, Köhler, beiß, wenn du am Boden liegst!»
      «Rückendeckung!» kommandiert Georg.
      Der Befehl ist gut; aber unsere Rückendeckung sind im Augenblick die großen Schaufenster des Modehauses Max Klein. Das patriotische Deutschland stürmt gegen uns an, und wer will schon in ein Schaufenster gepreßt werden? Man reißt sich den Rücken an den Splittern auf, und außerdem ist da noch die Frage des Schadenersatzes. Sie würde an uns hängenbleiben, wenn wir in den Splittern säßen. Wir könnten nicht fliehen.
      Vorläufig bleiben wir dicht beisammen. Die Schaufenster sind halb erhellt; wir können unsere Gegner dadurch recht gut sehen. Ich erkenne einen der älteren; er gehört zu denen, mit denen wir im Café Central schon einmal Krach gehabt haben. Nach dem alten Gesetz, die Führer zuerst zu erledigen, rufe ich ihm zu: «Komm heran, du feiger Arsch mit Ohren!»
      Er denkt nicht daran. «Reißt ihn raus!» kommandiert er seiner Garde.
      Drei stürmen an. Willy schlägt einem auf den Kopf, daß er umfällt. Der zweite hat einen Gummiknüppel und schlägt mir damit auf den Arm. Ich kann ihn nicht erwischen, er aber mich. Willy sieht es, springt vor und kugelt ihm den Arm aus. Der Gummiknüppel fällt auf den

Weitere Kostenlose Bücher