Der Schwarze Papst
eintreten. Sandro würde sich von ihm abwenden, und keine Gewalt könnte daran etwas ändern. Im Grunde genommen wäre
es eine gerechte Buße für ihn, doch Julius war nicht bereit, zu büßen, wenn dies ein solches Opfer bedeutete.
»Einverstanden«, hörte er sich nach einer Weile sagen. »Ich sorge dafür, dass der Bischof von Santo Domingo ein Amt für dich findet. Doch du verlässt noch heute die Stadt. Und zwar ohne die Glasmalerin und ohne ihr oder Sandro etwas anzutun.«
Milo willigte - gequält, wie Julius fand - ein. »Ich brauche Antonia nicht. Nicht mehr. Sollen sie und ihr Jesuit meinetwegen glücklich miteinander werden, wenn sie sich so sehr lieben.«
»Hör zu, du Ungeheuer, ich werde dir eine Meute Bluthunde hinterherhetzen, solltest du dich nicht an unsere Absprache halten.«
»Ich halte mich an sie, wenn Ihr Euch an sie haltet.«
Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. So gingen zwei Menschen auseinander, die nur das Verbrechen und ein Geheimnis miteinander teilten.
Sandro hatte sich ein Pferd aus den vatikanischen Stallungen geholt und noch vor Ort seine Soutane gründlich mit Staub eingepudert - die Knechte hatten ihn angesehen, als sei er nicht ganz richtig im Kopf. Nun näherte er sich dem Haus in der Via Pace.
Die Hausmeisterin war nicht zu sehen, nur ihr leerer Stuhl stand neben dem Eingang und war mit einer Kette an der Wand befestigt, damit er nicht gestohlen werden konnte. Ein Fenster des Erdgeschosses stand offen, und Sandro rief hinein: »Ist jemand da?«
Er bemühte sich um einen spanisch-portugiesischen Akzent. Den ganzen Weg von der Kapelle bis zu den vatikanischen Stallungen und von dort bis zur Via Pace hatte er fleißig ge - übt. Dabei halfen ihm seine Jahre als Assistent des Spaniers
Luis de Soto sowie die jüngste Unterhaltung mit Miguel Rodrigues.
Das Gesicht der Hausmeisterin erschien im Fenster. Sie hatte schlecht frisierte Haare und eine Branntweinfahne, der es mühelos gelungen wäre, ein Feuer anzufachen. Doch die Hausmeisterin hielt sich tapfer auf den Beinen und stellte sich als äußerst nett heraus. Zudem fiel sie sofort auf den Akzent herein.
»Du bist schon der zweite Bote heute. Ist eine weite Strecke. Binde deinen Gaul an dem Pfosten dort drüben an, Bruder«, sagte sie betont deutlich, wie man Ausländern gegenüber spricht. »Und dann gehe in den Hausflur.« Sie unterstrich jeden Satz mit vielen Gesten.
Sandro tat, wie ihm geheißen. Im Hausflur strahlte er sie mit einem erschöpften Lächeln an.
»Du bist sicher müde und hungrig«, sagte sie.
»Müde ja, hungrig so sehr nicht. Ich gegessen viel Gemüsetopf in Herberge vor den Mauern.« Wenn man seine eigene Sprache verfälschte, klang das zwar immer ein wenig übertrieben, aber nur für einen selbst.
Die Wirtin sah ihn traurig an, sei es, weil er ihr Essen nicht wollte, oder sei es, weil sie es schrecklich fand, dass es Menschen gab, die die italienische Sprache nicht beherrschten.
»Durstig?«, fragte sie.
Er fand, es wäre glaubwürdiger, Durst zu haben, und nickte. Jeder normale Mensch hätte ihm daraufhin einen Becher Wasser gereicht, doch für die Hausmeisterin war ein Becher Branntwein das Normale.
»Gut«, sagte er. Gott, war ihm heiß und schwindlig. »Danke.«
»Noch einen?«
Er machte eine abwehrende Handbewegung.
»Bleibst du über Nacht?«
Auf diese Frage war er nicht vorbereitet und überlegte. Sie deutete das dahingehend, dass er sie nicht verstanden hatte.
Die Handflächen gegeneinander pressend, neigte sie den Kopf und hob die Hände unter das Ohr.
Er tat, als hätte er eine Erleuchtung gehabt, und nickte eifrig.
»Oben findest du ein frisch bezogenes Bett. Erster Stock, linke Tür. Abort befindet sich im Hof, zwei Häuschen, damit es kein Gedränge gibt. Nicht in den Flur spucken oder rotzen. Die Tür schließe ich bei Sonnenuntergang ab. Alles verstanden?«
Er nickte. »Oben jemand sein?«
»Nee. Macht aber nichts. Hat man’s dir nicht gesagt? Briefe auf den Tisch legen. Du hast doch einen Brief? Brief? Brief?« Ihre Hände öffneten einen imaginären Brief, und ihr Blick flog über unsichtbare Buchstaben, die in der Luft zu schweben schienen.
»Ah, Brief!« Er klopfte mit den Fingerspitzen auf die Herzgegend, wo sich ebenso wenig ein Brief befand wie in den Händen der Hausmeisterin.
Doch sie glaubte ihm auch so. »Auf den Tisch legen«, wiederholte sie. »Mitzunehmen ist nichts, Bruder. Nichts mitnehmen. Brief nicht mitzunehmen, anderer Bote ist heute Morgen -
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